Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

391 
hier dicht beisammen, sie lagen hier im Kampf, das Land deutsch, 
die Stadt mehr und mehr verwälscht. Aber es war nicht blos der 
Gegensatz, in Straßburg selber gingen beschworene uraltdeutsche 
Heldengeister um. Hatten hier nicht Schilter und Scherz gewirkt? 
Hatte nicht Schöpflin ein Stück deutschen Mittelalters ausgegraben, 
so voll und rein, wie wenig andere? War da nicht Oberlin und 
warb für die Minnesinger? Und ragte da nicht wie ein vorweltlicher 
Riese Erwins Schöpfung auf? Unter allen gothischen Kirchen Deutsch- 
lands war dies die einzige, zu welcher durch alle Wandlungen des 
Geschmacks hindurch wenigstens die Anwohner stets mit Verehrung 
emporblickten. Schon im siebzehnten Jahrhundert (1617) hat Oseas 
Schadäus ein eigenes Buch darüber geschrieben und von da an ging 
die Münsterlitteratur ununterbrochen fort. Zu Goethes Zeit war 
der Orgelbauer und Rathsherr Johann Andreas Silbermann, ein 
Mitglied der weltberühmten Orgelbauerfamilie, die erste Autorität 
für das Münster wie für die localen Alterthümer überhauprt. 
Der Münsterthurm, das Wahrzeichen Straßburgs, ist auch das Wahr- 
zeichen der in Deutschland wiedererweckten germanischen Kunst. 
Der aber, der sie weckte, der junge Wolfgang, war kein ein- 
seitiger Teutone, war schon damals ein ganzer Mensch, in Natur 
und Geist vertieft, ins Leben fest hineingewachsen — trieb Chemie 
und Medicin, besuchte Kliniken und Werkstätten, fand noch Zeit zu 
Juristerei und Hromotion, fand Zeit das Land zu durchstreifen, in 
Sesenheim einzukehren, zu lieben und geliebt zu werden und seine 
Liebe in unsterbliche Lieder auszuströmen. 
Die Bilder der Freunde, welche Goethe damals umgaben, bleiben 
auf ewig von ihm unzertrennlich. Jener gute Mann vor allen, der 
ohne ihn gewiß vergessen wäre, der Actuarius Salzmann, der lieb- 
reiche alte Junggeselle, der sich an Feiertagen fremde Kinder einlud 
und mit ihnen spielte, weil er keine eigenen hatte, — der ehrwürdige 
Popularphilosoph, der Sokrates und Pädagog des Goethischen Kreises, 
der Präsident der Tischgesellschaft, in welcher der Frankfurter Student 
mit Lerse, Jung u. a. zusammentraf.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.