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die großen Ansammlungen von Stoff, welche sich der humoristische
Roman gestattet, können alle Fermen sprengen. Aber merkwürdig
ist es, wie das Streben Fischarts, Volkecharakteristik in künstlerischem
Rahmen zu liefern, hier im Drama wiederkehrt.
Geringere Ansprüche macht Ehrenfried Stöbers „Daniel oder
der Straßburger“ (1823).
Diese kleine Cemödie ist beinah rührend in ihrer Einfachheit und
Genügsamkeit. Ein reicher liefländischer Baron, der in Straßburg
studirt hat, sich dort verlicbte und verlebte und nun, nach fünf.
jähriger Abwesenheit, nachrem alle seine Briefe verloren gegangen,
zurückkehrt, um seine schon verzweifelnde Braut zu holen; der grund-
ehrliche Straßburger Kellner Daniel, der Bruder dieser Braut und
der Held des Lustspiels, der eine alte frömmelnde Heuchlerin als
Diebin entlarvt und für seine Ehrlichkeit so glänzend belohnt
wird, daß er sein schwäbisches Schätzle heirathen kann — wahrlich,
keine Erfindungen von hoher Originalität oder von irgend welcher
Prätension, aber mit solcher Liebe behandelt, mit einem solchen
Schatz von Heimatsgefühl ausgestattet, so durch und durch deutsch
in dieser äußeren Armuth bei dem inneren Gemüthsreichthum, daß
man sich nicht enthalten kann, all die rechtschaffenen Leute, bis zu
dem dummen ungeschickten Aufwäter Hane-Dännel herab, all dies
gemthliche, zufriedene, bei bescheidenen materiellen Genüssen selige
Philisterthum, innig ins Herz zu schließen. Mit dem wärmsten
ausschweifendsten Entzücken wird vom Elsaß, von seinem Reichthum,
von seiner Schönheit, von allen seinen Vorzügen gesprochen. Und
stets ragt das Münster über dem Ganzen: „Wie sollte ich denn
leben können, wenn ich meinen Münsterknopf nicht mehr sähe“,
sagt Daniel, der Kernstraßburger, als ihm sein künftiger Schwager
den Vorschlag macht, liefländischer Gutsherr zu werden.
Mit dem Pfingstmontag, mit dem Daniel ist das elsässische
Drama des neunzehnten Jahrhunderts ziemlich erschöpft. Das Straß-
burger Theater hatte nur für französische Vorstellungen Raum. Ein
junger Dramatiker, Schneegans, der in den allerletzten Jahren auf-