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land stattgefunden, die schon aus älterer Zeit datirt. Aber die jetzt
wirkende Generation stellte die Verbindung her, und Eduard Reuß,
Karl Schmidt, Röhrich, Baum sind Namen vom besten Klange in
der deutschen Gelehrtenrepublik: milddenkende Männer, in deren Ge-
sinnung die besten Straßburger Traditionen wiederkehren und deren
wissenschaftliche Thätigkeit sich geschichtlichen Studien zuwandte.
Prof. Reuß behandelte das Neue Testament, vielfach abweichend von
den kritischen Resultaten der Tübinger Schule. Prof. Karl Schmidt
ist einer der ersten Kenner des mittelalterlichen Sectenwesens, hat
sich um die Erforschung der Mustiker die allergrößten Verdienste
erworben und mit seinen Biographien Melanchthons, Peter Martyrs,
Johannes Sturms auch unsere Kenntnis des sechszehnten Jahr-
hunderts wesentlich bereichert. Der verstorbene Pfarrer Röhrich hat
seinen Landsleuten die beste Spezialgeschichte der Reformation ge-
schenkt, welche überhaupt existirt; seine „Geschichte der Reformation
im Elsaß“ ist ein wahrhaft musterhaftes Werk, das Professor Baum,
der Biograph des französischen Reformators Beza, durch sein Leben
Capitos und Butzers in ausgezeichneter Weise ergänzt.
Die durch Edmond Scherer angeführte freie Richtung des fran-
zösischen Protestantismus sammelt sich seit 1850 um die von Colani
zu Straßburg gegründete Revue de théologie, während andererseits
die Straßburger Tractatgesellschaft durch ihre Schriften christliche
Frömmigkeit in die tieferen Schichten des Volkes zu verbreiten sucht.
Zu diesen „Straßburger Tractaten“ gehören die „elsässischen Lebens-
bilder“ einer ungenannten Verfasserin, welche in der Form anmuthiger
kleiner, besonders durch liebliche Kindergestalten belebter Novellen
das Andenken der Reformationszeit, Speners u. A. erneuern. We-
niger ist der Dichterin ihr „alter Eli“ gelungen, eine Erzählung
aus, dem Volksleben, worin der liebe Gott die Frömmigkeit doch
gar zu prompt in klingender Münze bezahlt.
Wenden wir uns von der Theologie zur Philosophie, so
stoßen wir auf die unvermeidliche Lücke. Wie in der Poesie die Ein-
wirkung Goethes, so fehit hier der Zusammenhang mit Kant.