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geht. Und die Art, wie diese Interessen gepflegt wurden, steht nicht
auf der Höhe der modernen Forschung, sie läßt es an Kritik, an
Umsicht, an Tiefe, an Genauigkeit, kurz an strenger Wissenschaft-
lichkeit fehlen. Trotz einer großen geistigen Regsamkeit, welche in
den übrigen Provinzen Frankreichs nirgends ihres gleichen hat,
konnte das Elsaß mit der Entwickelung des deutschen Mutterlandes
entfernt nicht Schritt halten.
Dies also wäre die Heimat Otfrieds von Weißenburg und
Gottfrieds von Straßburg, dies das Vaterland Taulers, Königs-
hofens, Brants, Wimphelings, Murners, Butzers, Fischarts, Mosche-
roscht, Speners, Oberlins? Dies wäre das Land, in welchem Meister
Eckard, Erwin von Steinbach, Geiler, Johannes Sturm, Brülow,
Spangenberg, Schilter, Schöpflin wirkten? Das ist daraus ge-
worden? Rein, es scheint klar, hier war Sonne und Luft nicht
günstig, das Klima war seit der Revolution zerstört, worin die El-
sässer gedeihen konnten.
Aber übertreiben wir nicht. Hüten wir uns vor Einseitigkeit.
Untersuchen wir, ob nicht vielleicht Anderen zu Gute kam, was uns
entging. Müssen wir nicht das französische Geistesleben näher be-
trachten, um auf die Spuren elsässischer Größe zu stoßen?
Wir haben doch auch diese Frage schon überall beantwertct.
Wir haben auf verschiedenen Gebieten beobachtet, wie die Elsässer
den Franzosen deutsche Geistesschätze zuführten. In Straßburg sind
die St. Rens-Taillandier, die Genien u. A. mit deutschem Wesen
vertraut geworden. Der Elsässer Theodor Braun übersetzte Schillers
Tragödien. Zweimal vereinigten sich Elsässer ausdrücklich zu einer
Rerue germanique, einmal 1829 bis 1837, das andere Mal zur
Zeit des zweiten Kaiserreichs, beidemal unter dem fühlbaren Im-
pulse mächtiger Culturströmungen. Aber haben an solcher Thätigkeit
bedeutende Erfolge gehangen) Hat die Vereinigung der getrennten
Elemente ein neues drittes ergeben? Hat die Transfiguration auch
die Sache gefördert? War der unzweifelhafte relative Werth dieser
Vermittelungen für die französische Bildung auch ein absoluter für