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Correspondenzen, verbreiten erbauliche Schriften unter einander: alles
ungefähr so, wie es in der pietistischen Gefellschaft des achtzehnten
Jahrhunderts üblich war. Sie nannten sich „Gettesfreunde“, mit
einem Ausdruck, den Eckard von solchen gebraucht hatte, die zur
Vereinigung mit Gott durchgedrungen seien. Diesen Zustand der
Selbstentäußerung und der „Vergottung“ in sich zu erleben, wie ihn
Eckard geschildert hatte, das war ihr höchstes Ziel.
Alle Stände begegneten sich in dem neuen Medium hoch-
gesteigerter Andacht, Laien und Priester, Vornehme und Geringe,
Ritter und adlige Damen, Nonnen und Beginen, ja ein unge-
nannter Bauersmann wird als einer der „allerhöchsten Freunde
Gettes“ gepriesen.
In einem Laien, den seine Bekannten nur als den Gottes-
freund im Oberlande verehrten, erhielt diese Richtung sogar eine
reformatorische Wendung. Im Jahre 1317 als Sohn eines Kauf-
manns geboren, übernahm er zuerst das väterliche Geschäft, hat aber
dann sein bedeutendes Vermögen blos noch für Zwecke religiöser
Propaganda aufgewendet. In der zweiten Hälfte des vierzehnten
Jahrhunderts stiftete er einen Geheimbund, worin man Pläne ver-
folgte, in die nur wenige eingeweiht waren, und über die sich
nichts anderes vermuthen läßt, als daß sie von demselben Gefühl
eingegeben waren, das im felgenden Jahrhundert in den großen
Concilien zum Ausdruck kam, von dem Gefühl, daß eine Reform
der Kirche dringend noth thue, daß sie aber von innen heraus ver-
sucht werden müsse, ehe man zu anderen Mitteln greife. Mit vier
Bundesbrüdern zeg sich der Gottesfreund in die Wildnisse der Vo-
Vesen zurück und baute sich ein Haus, wo die Fäden ihrer gleichsam
unterirdisch wühlenden Thätigkeit zusammenliefen. Ihre Verbin-
dungen erstreckten sich über viele Länder. In Deutschland, in
Italien, ja bis Ungarn hin, hatten sie eingeweihte Freunde. Ein-
mal, im Jahre 1377, reiste der Gottesfreund nach Rom und suchte
vergeblich in einer Unterredung mit YPapst Gregor XI. diesen zu
Reformen zu vermögen. Später wurde ein Mitglied des Bundes