Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Das Hindenburg-Programm 2607 
  
Die Ausstattung der Infanterie mit einem Stahlkerngeschoß, das zur 
Bekämpfung von Flugzeugen und Tanks gut geeignet war, wurde ver- 
mehrt, auch trat das Kriegsministerium an die Konstruktion von weiteren 
Infanterieschnellfeuerwaffen, auch Gewehren größeren Kalibers heran, die 
geeignet waren, die feindlichen Tanks wirkungsvoll zu bekämpfen. 
Große Beachtung fand die Neubeschaffung von Lastkraftwagen. Das 
Pferdematerial wurde immer schlechter, sein Ersatz floß spärlich. Wir 
mußten Lastkraftwagen herstellen, um das Pferd zu ersetzen; allerdings 
kamen wir nun wieder mit den Betriebsstoffvorräten in Schwierigkeiten. 
Wir brauchten aber Lastkraftwagen auch zu Truppenbeförderungen. Es 
wurde der Entente infolge ihrer ungeheuren Industrie immer mehr er- 
möglicht, nicht nur Reserven schnell mittels Kraftwagen zu verschieben, son- 
dern auch in großem Umfange Truppen aus ihren Quartieren auf das 
Schlachtfeld und von ihm wieder zurück in die Quartiere zu fahren. Das 
bedeutete für die Truppen eine außerordentliche physische und seelische 
Kraftersparnis. Wir mußten zufrieden sein, wenn es uns in dringendsten 
Fällen gelang, Truppen mit Lastkraftwagen zu bewegen. 
Für den Tankbau war bei uns die Zeit noch nicht gekommen. 
Eine besondere Stellung nahm die Flugzeugindustrie ein. Die feind- 
lichen Armeen wetteiferten miteinander, das schnellste und schnellststeigende 
Kampfflugzeug herauszubringen. Es war ein gegenseitiges Rangablaufen, 
unsere Flugzeugindustrie war oft Sieger. Wir hatten namentlich 1918 
hervorragende Typen, denen unsere Flieger neben ihrem Wagemut ihre 
Erfolge in der Luft verdankten. 
Ich habe im Vorstehenden nur einige der hauptsächlichsten Kriegsmittel 
herausgegriffen, deren umfangreiche Vermehrung notwendig wurde. Es 
mußte tatsächlich an alle gedacht werden, alle waren wichtig; Stacheldraht 
wurde z. B. ebenso dringend gebraucht wie Infanteriemunition. Die 
Kriegsmittel mußten in ihrer Bedeutung und ihrer voraussichtlichen Ver- 
wendung gegeneinander abgewogen werden, dann war der Umfang ihrer 
Anfertigung zu bestimmen. Das ganze Programm war eine schwere, in 
die Zukunft gerichtete Geistesarbeit, an der Oberst Bauer von meinem 
Stabe ganz besonders hervorragenden Anteil hatte. Es wurde erst nach 
mehrfachen Besprechungen in Berlin fertiggestellt und erhielt den Namen 
Hindenburg-Programm, obschon sich das Programm der Obersten Heeres- 
leitung nicht nur auf die Forderung von Kriegsgerät, sondern auch auf das 
Verlangen nach Menschen und seelischer Kraft bezog. 
Die Verwirklichung des Hindenburg-Programms mußte selbstver- 
ständlich erhebliche Zeit kosten, schon seine Einführung eine Unruhe hervor- 
bringen, die zunächst hemmend anstatt fördernd wirkte. Auch eine Menge 
natürlicher Reibungen war zu überwinden. Sobald wir weiter klar sahen,
	        
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