412 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
ab. Sie ließ das Schlagwort des „Verständigungs- und Versöhnungs—
friedens“ immer wieder in ihrer stillen und doch so eindringlichen Propa-
ganda bei uns und im neutralen Auslande aussprechen, sollte sie sich aber
zu ihm öffentlich bekennen, dann wich sie aus; sie verfolgte nach wie vor
einzig und allein den Gedanken, Deutschland vernichtend zu treffen.
Der Schritt des Papstes konnte keinen Erfolg haben. Es ist jetzt eigen-
artig zu sehen, wie der Papst von den Verhandlungen in Verseilles fern-
gehalten wird. Die Entente dankt ihm seine Friedensnote nicht.
Bei seinem Amtsantritt hatte ich dem Reichskanzler Dr. Michaelis
mitgeteilt, daß Herr Hugo Stinnes Verbindung mit dem japanischen Ge-
sandten in Stockholm habe und sich hoffnungsvoll äußere. Er sei im Begriff,
dorthin zu fahren, und habe Aussicht, den Gesandten zu sehen. Der
Reichskanzler empfing daraufhin Herrn Stinnes. Ich habe die Angelegen-
heit nicht weiter verfolgt.
Ende August oder Anfang September hieß es plötzlich, es böte sich
Gelegenheit, mit der Entente zu Besprechungen zu kommen. Der Reichs-
kanzler und Herr v. Kühlmann, der bei dem Kanzlerwechsel Staatssekretär
des Auswärtigen geworden war, sprachen es geheimnisvoll aus. Durch
Oberst v. Haeften hatte ich erfahren, daß aus dem neutralen Ausland im
Anschluß an eine Rede des früheren englischen Ministerpräsidenten Asquith
am 27. Juli und bald darauf folgenden Außerungen Lloyd Georges die
Kunde kam, England erwarte von uns eine Erklärung über Belgien. Der
Reichskanzler sagte mir jetzt, die Anregung zu etwaigen Besprechungen
sei von England gegeben. Ich war naturgemäß erfreut: sollte England
friedenswillig geworden sein, dann waren die Friedensaussichten jetzt
besser als bei früheren Gelegenheiten, wo nur wir einseitig vorgingen.
Ich beurteilte deshalb auch die Friedensfrage günstiger als bisher.
Das Friedensgespräch führte zu verschiedenen Erörterungen mit dem
Reichskanzler über die belgische Frage.
Der wirtschaftliche Anschluß Belgiens an das Deutsche Reich wurde
unser Ziel. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen, die schon im Frieden
zwischen Deutschland und Belgien bestanden, wurden hierbei in Berück-
sichtigung gestellt. Die Reichsleitung glaubte damit eine Basis für eine
Anknüpfung mit England zu besitzen. Ich erwartete, daß Staatssekretär
v. Kühlmann in einer Reichstagsrede Ende September eine öffentliche
Erklärung über Belgien in diesem Sinne abgeben würde. Am 20. Sep-
tember hatte Oberst v. Haeften mit ihm eine längere Besprechung hierüber.
Der Staatssekretär verhielt sich indes ablehnend und äußerte: „Wer sagt
Ihnen überhaupt, daß ich geneigt bin, das Pferd Belgien zu verkaufen?
Darüber habe ich zu entscheiden. Vorläufig steht dieser Gaul gar nicht
zum Verkauf.“ In seiner Rede am 9. Oktober sprach er nicht über Bel-