Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

568 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
Am 14. September wurde die Note des Grafen Burian veröffentlicht. 
Österreich-Ungarn hatte auf sein Vorhaben zugunsten des unsererseits be- 
absichtigten Friedensschrittes nicht verzichtet. Ob es diesen in zu weiter 
Ferne liegend ansah, oder welche Gründe sonst die k. u. k. Regierung 
hierzu veranlaßt haben, weiß ich nicht. Kaiser Karl führte in einem auf- 
klärenden Schreiben an Seine Majestät aus, daß ihn das Telegramm der 
Obersten Heeresleitung zu einem baldigen Friedensschritt bestimmt habe. 
Ich sprach mich zu Oberst Heye aus, es wäre vielleicht doch gut, daß der 
Schritt des Grafen Burian erfolgt sei. Es deckte sich deshalb auch mit 
meiner Ansicht, daß wir uns ihm gegenüber nicht ablehnend verhielten. 
Die Anschauung der Diplomatie, daß dieser Friedensschritt des Grafen 
Burian die Vermittlung der Königin der Niederlande unmöglich gemacht 
habe, kann ich nicht teilen. Er erschwerte sie, schloß sie aber keineswegs aus. 
Vor allem habe ich keine Lösung dafür gefunden, aus welchem Grunde nicht 
die Vermittlung Hollands vor Bekanntgabe der Note des Grafen Burian 
angerufen wurde, wozu Zeit vorhanden gewesen sein muß. Ich glaube 
nicht, daß Staatssekretär v. Hintze wirklich ernstlich mit dem holländischen 
Gesandten in Berlin gesprochen hat. 
Mit militärpolitischen Fragen habe ich mich in jenen Tagen kaum 
mehr befaßt. Staatssekretär v. Hintze besprach mit der Obersten Heeres- 
leitung die polnische Angelegenheit auf Grund der ihm vom Reichs- 
kanzler gegebenen Weisung. Ich habe ihm pflichtmäßig geantwortet und 
meine Ansichten gesagt. Unter dem 28. August machte uns der Staats- 
sekretär nach Rücksprache mit einem polnischen Herrn von Berlin aus be- 
stimmte Vorschläge über die zweckmäßige Gestaltung Polens und die 
Regelung unserer Beziehungen zu ihm. Im besonderen wollte er Wilna 
Polen zusprechen, da es stets ein Fremdkörper in einem litauischen Staate 
bleiben würde. Allerdings müsse Polen sich verpflichten, gewisse Bedin- 
gungen, insbesondere die Militärkonvention, zu unserer vollen Zufrieden- 
heit zu lösen. 
Die Oberste Heeresleitung stimmte in ihrer Antwort vom 30. August 
dem Staatssekretär zu und wies in diesem Zusammenhang auf einige 
Punkte hin, die in den früheren, ihm vielleicht nicht bekannten Be- 
sprechungen erörtert waren. Sie betonte z. B. im Interesse unserer 
Wirtschafts= und Militärpolitik die Notwendigkeit eines Eisenbahnbünd- 
nisses mit Polen und des gesicherten Verkehrs durch Polen mit Ruß- 
land. Ich hielt auch eine nähere Bindung Polens für unbedingt nötig, 
da ich mein Mißtrauen gegen dieses Land nicht überwinden konnte. Wilna 
war seinerzeit den Litauern durch den Reichskanzler zugesagt worden. 
Es sei jetzt naturgemäß zu befürchten, daß die Zuteilung Wilnas an 
Polen von ihnen als ein Treubruch aufgefaßt würde. Aufgabe des Aus-
	        
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