Denkschrift über Bevölkerungspolitik 233
Anforderungen und Bewertung körperlicher Leistungen. Besonders
wichtig: verbesserte und täglich angewandte Atmungsgymnastik (Betonung
der Aus atmung).
42. Besonders pflegliche, pädagogische und hygienische Behandlung
erheischen die Pubertätsjahre. In ihnen entscheidet sich die Ent-
wicklung des Körpers und des Charakters. Der gesteigerte Betätigungs-
drang und Gefühlsüberschwung bedarf verständnisvoller Beobachtung
durch Eltern und Lehrer, damit er in rechte Bahn geleitet wird: Erweckung
der Freude an der persönlichen Mitarbeit beim Aufbau des Körpers und
Ausbau des Wissens, Freude an der Natur, an Sport, Spiel und Lied,
vaterländische Erhebung, Übung der Kunstfertigkeit, Vertiefung der sitt-
lichen Anschauungen (Ehrfurcht). — Die Knaben gebrauchen körperliche
Übung und Wettkämpfe, die Mädchen Schonung und Sammlung, ander-
seits auch eine gewisse Muskelpflege.
43. Die Schule muß auf diesem Gebiete die Führung übernehmen.
Aus dem Bedürfnis der Jugend heraus entstanden: Der „Jung-
deutschland-Bund“ mit Wandervogel= und Pfadfinder-Bewegung,
Jugendherbergen u. a. m., gefördert durch kaiserlichen Erlaß seit der Schul-
konferenz des Jahres 1891, gesammelt in den Verbänden des „Reichsaus-
schusses für Leibesübungen“ und neuerdings militärisch organisiert in der
„Militärischen Vorbereitung der männlichen Jugend“ (s. unten).
44. Die ältere Schuljugend ist tiefer als bisher in die vaterländische
Geschichte und Bürgerkunde einzuführen. (Politische Geographie, Welt-
handel, Rohstoffe, Bevölkerungsfragen, Heereswesen.) Der Staat darf ihr
kein fremdes, geschweige denn feindliches, nur opferforderndes Gebilde
bleiben, sondern muß ihr als ihr eigenes Fleisch und Blut zum lebendigen,
lebensbeherrschenden Bewußtsein gebracht werden.
45. Die schulentlassene Jugend, besonders der mittleren
und unteren Schulen, lebt in einer bisher vielfach schlechtgenützten Freiheit-
Der Wochenverdienst wird an den freien Abenden und Feiertagen großen-
teils für unedle, ungesunde und vorzeitige Genüsse ausgegeben. Im Kriege
sind die Löhne und damit die Lebensansprüche Jugendlicher zu einer un-
haltbaren Höhe emporgestiegen. Hieraus drohen Gefahren, denen Staat,
Kirche und Gesellschaft aller Stände und Parteien vorbeugen müssen.
(Sparzwang, Besteuerung, Pflichtfortbildung, Hebung des Bildungsstrebens
durch Vorträge, künstlerische und geistige Darbietungen, Förderung der
körperlichen Ubungen.) Auch diese Altersstufe erfordert besseren Unterricht
über staatsbürgerliche Pflichten und Körperhygiene (s. unten).
46. Ihre schlimmsten Feinde sind Rauchen, Trinken und vor-
zeitiger außerehelicher Geschlechtsverkehr. Sovweit Auf-
klärung und besseres Beispiel der Gebildeten nichts gegen den zunehmen-