Schriftwechsel mit dem Abgeordneten Herrn Stresemann 295
Oberste Heeresleitung in den innerpolitischen Kampf hineinziehen läßt.
Über alle Grenzen der politischen Parteien hinweg hat sich bisher das
70 Millionenvolk der Deutschen in dem Vertrauen zu der Obersten Heeres-
leitung zusammengefunden. Alle Versuche einzelner, dieses Vertrauen zu
erschüttern, waren von vornherein zur Einflußlosigkeit verdammt. Erfährt
man aber in weiteren Kreisen der Offentlichkeit, daß die Oberste Heeres-
leitung sich der Auflösung des Landtages widersetzt, dann würde es den
sozialistischen und anderen Demagogen leicht sein, die Formel zu prägen,
daß sich die Oberste Heeresleitung schützend vor die konservative Partei
gestellt und den Kampf gegen die Durchführung des gleichen Wahlrechts
ihrerseits unterstützt habe. Welche Wirkung dieses Schlagwort haben kann,
bitte ich, nur an der einen Tatsache zu ermessen, daß es in den süddeutschen
Staaten Gegner des gleichen Wahlrechts überhaupt nicht gibt und von den
preußischen Wählern etwa 85 v. H. auf dem Boden des gleichen Wahlrechts
stehen. Für alle die großen außenpolitischen Fragen, bei denen das Votum
der Obersten Heeresleitung von entscheidender Bedeutung sein muß, würde
das unvergeßliche Vertrauen, das die Oberste Heeresleitung bis zur Stunde
besitzt, gemindert werden, und den Erfolg davon würden die Freunde des
Verzichtsfriedens tragen.
Ich bitte Euer Exzellenz es mir nicht zu verübeln, wenn ich in voller
Offenheit meine Besorgnisse vortrage. In den Zeiten dieses Weltkrieges
glaube ich in der Heimat mich mit voller Kraft für die Ideen der Obersten
Heeresleitung eingesetzt zu haben, so daß eine Mißdeutung meiner Stellung
nicht möglich ist. Um so mehr fühle ich mich dazu verpflichtet, meine war-
nende Stimme zu erheben, um wenigstens nicht durch mein Schweigen
daran mitschuldig zu werden, daß Kräfte gegen die Oberste Heeresleitung
entfesselt werden, die bisher erfreulicherweise unter dem Einfluß des un-
begrenzten Vertrauens des ganzen Volkes in die Oberste Heeresleitung
zum Schweigen verurteilt waren.
In aufrichtiger Hochschätzung Euer Exzellenz sehr ergebener
gez. Stresemann.
Antwort.
Sehr verehrter Herr Stresemann.
Für Ihren ausführlichen Brief und die klare Aussprache danke ich,
wie für jedes offene Wort.
Sie wissen, daß ich nur an den Enderfolg des Krieges denke und daß
ich mich über innerpolitische Fragen, so sehr sie mich auch bewegen, der
Reichsregierung gegenüber nur dann ausspreche, wenn sie meines Erachtens
den Enderfolg berühren. Mein Tun und Lassen wird dadurch bestimmt.
Mit verbindlichem Gruß gez. Ludendorff.