Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

422 XIX. Der Friedensvorschlag des Papstes und der „englische Friedensfühler" 
  
  
Der Nuntius hob nichtsdestoweniger hervor, daß es immerhin von größtem 
Nutzen sein würde, wenn der Papst, dessen Sorge um den Weltfrieden 
mir wohl bekannt sei, über die deutsche Auffassung der Kriegs= und 
Friedensprobleme unter der Zusicherung vollster Diskretion so genau 
orientiert werde, daß er im psychologischen Moment eine sichere Basis für 
friedenförderndes Wirken habe. Auf meine Zustimmung zu diesem Ge- 
danken legte mir der Nuntius eine Reihe bestimmt gefaßter Fragen über 
unsere Kriegsziele und Friedensbedingungen vor. Aus der Art der Fragen- 
stellung gewann ich den später bestätigten Eindruck, daß es sich um etwas 
anderes als um eine unverbindliche Konversation über Friedensmöglichkeiten 
handele, der Nuntius vielmehr sich eines genau formulierten Auftrages 
entledigte. In Verbindung mit meiner eingangs geschilderten Auffassung 
der Gesamtlage, welche mir Verhandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen 
erscheinen ließ, überzeugte ich mich, daß ich durch möglichst bestimmte 
Antworten auf die gestellten Fragen die Grundlage für Verhandlungen 
über einen Frieden schaffen könne, auf den das durch den U-Bootkrieg 
zwar nicht auf die Knie gezwungene, aber doch bedrohte England mit 
seinen Bundesgenossen eingehen würde. 
Unter diesem Gesichtspunkte habe ich die einzelnen Fragen des Nun- 
tius dahin beantwortet, daß wir zu Rüstungsbeschränkungen im Falle der 
Allseitigkeit durchaus bereit seien und daß wir in gleicher Weise grundsätzlich 
Schiedsgerichten zustimmten, die bestimmt seien, internationalen Kon- 
flikten vorzubeugen. Auf die Frage über unsere Ziele bezüglich Belgiens 
erwiderte ich, daß wir seine volle Unabhängigkeit wiederherstellen würden. 
Mit dieser vollen Unabhängigkeit würde es freilich unverträglich sein, wenn 
Belgien politisch, militärisch und finanziell unter die Herrschaft Englands 
und Frankreichs gerate, welche Mächte diese Herrschaft dann zu Deutsch- 
lands Schaden ausnützen würden. Auf die Frage endlich, welches die 
Pläne Deutschlands mit Bezug auf Elsaß-Lothringen seien, und ob die 
deutsche Regierung zu Gebietsabtretungen an Frankreich bereit sei, er- 
widerte ich, daß, falls Frankreich verständigungsbereit sei, hieran der 
Frieden nicht scheitern werde. Unter der Form gewisser gegenseitiger 
Grenzberichtigungen werde sich ein Weg der Einigung finden lassen. 
Über die östlichen Fragen habe ich lediglich bemerkt, daß mir die chao- 
tischen Zustände Rußlands Friedensmöglichkeiten zur Zeit ausgeschlossen 
erscheinen ließen, da es an einer verhandlungsfähigen Regierung fehle. 
Ich hatte damals den bestimmten Eindruck — und dieser Eindruck ist 
durch spätere Mitteilungen bestätigt worden —, daß der Nuntius meine 
Erklärungen als geeignet ansah, den Frieden wesentlich zu fördern. 
Am 29. Juni wurde der Nuntius im Großen Hauptquartier von 
S. M. dem Kaiser empfangen. Auf eingehende Vorstellungen, die der
	        
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