Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

544 XXII. Friedensverhandlungen 
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deutsche Heer 24 Stunden früher oder später die so dringend nötige Waffen- 
ruhe erhielte"). 
Am späten Nachmittage fand dann eine nochmalige Schlußberatung 
ebenfalls in der Wohnung des Vizekanzlers über denselben Gegenstand 
statt, bei der der Staatssekretär Sbif den Reichskanzler unterstützte und 
gegen den Staatssekretär v. Hintze Stellung nahm, sowohl hinsichtlich des 
Waffenstillstandsangebotes als auch der Absendung, bevor die Regierungs- 
bildung völlig beendet sei. In der Sitzung wurde der endgültige Wortlaut 
der Note festgestellt."“ 
10. 
Vorgãnge in Berlin am 5. Okkober. 
a. Aus der Rede des Reichskanzlers Prinz Max. 
Mehr als vier Jahre des blutigsten Ringens gegen eine Welt von zahlenmäßig 
Überlegenen Feinden liegen hinter uns: Jahre voll schwerster Kämpfe und schmerzlich- 
ster Opfer. Ein jeder von uns trägt seine Narben, nur allzuviele sogar noch offene 
Wunden — sei es im verborgenen Grunde der Seele oder an seinem opferbereit für 
die deutsche Freiheit auf dem Schlachtfelde preisgegebenen Körper. 
Trotzdem aber sind wir starken Herzens und voll von zuver- 
sichtlichem Glauben an unsere Kraft, entschlossen, für unsere 
Ehre und Freiheit und für das Glück unserer Nachkommen auch 
noch schwerere Opfer zu bringen, wenn das unabänderlich ist. 
Mit tiefer, heißer Dankbarkeit gedenken wir unserer tapferen Truppen, die unter glän- 
zender Führung während des ganzen Krieges fast Übermenschliches geleistet haben und 
deren bisherige Taten sicher verbürgen, daß unser aller Schicksal bei ihnen auch ferner 
in guten zuverlässigen Händen liegt. Im Westen tobt seit Monaten eine einzige furcht- 
bare, menschenmordende Schlacht. Dank dem unvergleichlichen Heldentum unserer 
Armee, das als unvergängliches Ruhmesblatt in der Geschichte des deutschen Volkes 
fortleben wird für alle Zeiten, ist die Front ungebrochen. Dieses stolze Bewußtsein 
läßt uns mit Zuversicht in die Zukunft sehen. 
Gerade well wir von dleser Gesinnung und Überzeugung beseelt sind, ist es 
aber auch unsere Pflicht, Gewißheit darüber herbeizuführen, 
daß das opfervolle blutige Ringen nicht einen einzigen Tag 
über den Zeitpunkt hinaus geführt wird, wo uns ein Abschluß des 
Krieges möglich erscheint, der unsere Ehre nicht berührt. Ich habe deshalb auch nicht 
erst bis zum heutigen Tage gewartet, ehe ich handelnd zur Förderung des Friedens- 
gedankens eingriff. Gestützt auf das Einverständnis aller dazu berusenen Stellen im 
Reich und auf die Zustimmung der gemeinsam mit uns handelnden Bundesgenossen, 
habe ich in der Nacht zum 5. Oktober durch die Vermittlung der Schweiz an den 
Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika eine Note gerichtet, in der ich ihn 
bitte, die Herbeiführung des Friedens in die Hand zu nehmen und hierzu mit allen 
kriegführenden Staaten in Verbindung zu treten. Die Note trifft heute oder morgen in 
Washington ein. 
Sie richtet sich an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, weil dieser in seiner 
Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918 und in seinen späteren Kundgebungen, besonders 
auch in seiner New VYorker Rede vom 27. September, ein Programm für den all- 
gemeinen Frieden aufgestellt hat, das wir als Grundlage für die Verhandlungen an- 
nehmen können. Ich habe diesen Schritt auf dem Wege zu der Erlösung nicht nur 
*) Nach drei Wochen brach Österreich-Ungarn zusammen. Der Verfasser.
	        
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