Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot und die Revolution von oben 545
Deutschlands und seiner Verbündeten, sondern der gesamten, seit Jahren unter dem
Kriege leidenden Menschheit auch deshalb getan, weil ich glaube, daß die auf das
künftige Glück der Völker gerichteten Gedanken, die Herr Wilson verkündet, sich völlig
mit den allgemeinen Vorstellungen in Einklang befinden, in denen sich auch die neue
deutsche Regierung und mit ihr die weit überwiegende Mehrheit unseres Volkes bewegt.
Was mich selbst betrifft, so können meine früheren, vor einem anderen Hörerkreise
gehaltenen Reden bezeugen, daß sich in der Vorstellung, die ich von einem künftigen
Frieden hege, keinerlei Wandlung in mir vollzogen hat, seitdem ich mit der Führung
der Reichsgeschäfte beauftragt worden bin.
Was ich will, ist ein ehrlicher, dauernder Friede für die gesamte Menschheit, und
ich glaube daran, daß ein solcher Friede zugleich auch der festeste Schutzwall für die
künftige Wohlfahrt unseres eigenen Vaterlandes wäre. Zwischen den nationalen und
den internationalen Pflichtgeboten sehe ich deshalb mit Bezug auf den Frieden keiner-
lei Unterschied. Das Entscheidende liegt für mich ausschließlich darin, daß diese Gebote
von allen Beteiligten mit derselben Ehrlichkeit als bindend anerkannt und geachtet
werden, wie das von mir und den anderen Mitgliedern der neuen Regierung gilt.
So sehe ich denn mit der inneren Ruhe, die mir mein gutes Gewissen als Mensch
und als Diener unseres Volkes verleiht, und die sich zugleich auf das feste Vertrauen
zu diesem großen, treuen, jeder Hingebung fähigen Volk und seiner ruhmvollen Wehr-
macht begründet, dem Ergebnis der ersten Handlung entgegen, die ich als leitender
Staatsmann des Reichs unternommen habe.
Wie dieses Ergebnis auch ausfallen möge: ich weiß, daß es Deutschland fest ent-
schlossen und einig finden wird sowohl zu einem redlichen Frieden, der jede eigen-
süchtige Verletzung fremder Rechte von sich weist, als auch zu dem Endkampf auf
Leben und Tod'), zu dem unser Volk ohne eigenes Verschul-
den gezwungen wäre, wenn die Antwort der mit uns im Kriege
stehenden Mächte auf unser Angebot von dem Willen, uns zu
vernichten, diktiert sein sollte.
Kein Zagen befällt mich bei dem Gedanken, daß dieses zweite Ergebnis eintreten
könnte; denn ich kenne die Größe der gewaltigen Kräfte, die auch jetzt noch in unserem
Volke vorhanden sind, und ich weiß, daß die unwiderlegliche Üüberzeugung, um unser
Leben als Nation zu kämpfen, diese Kräfte verdoppeln würde.
b. Aus der Ansprache des Präsidenten Fehrenbach.
Das deutsche Volk blickt mit Stolz auf sein kampferprobtes Heer, auf seine
tapfere Marine, die seit nunmehr über vier Jahren unser Vaterland gegen feindliche
Übermacht verteidigen. Das deutsche Volk beklagt tief und empfindet aufs schmerzlichste
die schweren Opfer, die um Deutschlands willen nicht nur im Felde, sondern auch in
der Heimat haben gebracht werden müssen. Aber ebenso wie jeder ein-
zelne Soldat an der Front, so ist auch jeder Deutsche daheim
bereit, für das Vaterland, wenn es gefordert werden sollte, jedes
Opfer zu bringen"). Möchten indessen solche Opfer uns erspart bleiben!
*) Aus den Reden des Reichskanzlers und des Reichstagspräsidenten ist klar
ersichtlich, daß beide Redner das Wesen dieses gegen uns gerichteten Vernichtungs-
krieges noch immer nicht erkannt hatten. Die Reichstagsmehrheit hatte den Boden,
auf dem sie noch 1917 stand, verlassen. Am 6. Juni 1917 hatte Dr. David in Stock-
holm erklärt:
„Es hat keine Stunde in diesem Kriege gegeben, wo unsere Auffassung, daß
Deutschland um die Aufrechterhaltung seiner Lebens= und Entwicklungsmöglichkeit
kämpfe, erschüttert war. Im Gegenteil, diese Überzeugung ist verstärkt worden mit
jedem neuen Gegner, der sich dem Ring unserer Feinde anschloß.“
Ich meine, aus solcher Erkenntnis hätte sich schon lange die Forderung ergeben,
daß jeder Deutsche daheim jedes Opfer zu bringen hatte und daß wir in einem Kampf
um Leben und Tod standen. Der Verfasser.
Urkunden der Obersten Heereslellung 1916—1918. 35