Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

561 XXII. Friedensverhamlungen 
  
  
auch wirtschaftlich, zugrunde gerichtet werden sollten, über- 
legte sich jeder: Müssen wir das erdulden, oder gibt es noch 
eine Möglichkeit, das abzuwenden 7 Wenn wir den Leuten 
sagen: Es gibt noch eine Möglichkeit, das abzuwenden, wenn 
ihr nur durchhaltet. Wenn ihr aber nicht noch ein paar Wochen 
halten könnt, dann müßt ihr damit rechnen, daß Deutschland 
halb und halb aus dem Kreise der Nationen ausgestrichen wird. 
Ihr müßt mit einer Belastung durch Entschädigungen rechnen, 
die uns erdrücken wird — dann könnte man sie noch einmal hoch 
bekommen. 
Wenn es gelingt, die Note so zu fassen, daß die Bevölkerung die Sicherheit ent- 
nimmt, wir sind zwar in einer schweren Lage, aber wir werfen die Flinte nicht ins 
Korn, — dann ist noch nicht alles verloren. 
General Ludendorff: Der Vizekanzler hat mir aus der Seele gesprochen. Es fragt 
sich nur: wie schaffen wir's!? Da kann ich nur die Bitte wiederholen: Packen Sie das 
Volkl Reißen Sie es hoch! Kann das nicht Herr Ebert tun? Es muß gelingen! 
D#zepräsident Friedberg: Jedenfalls muß sehr schnell gehandelt werden. In der 
letzten Zeit war die Lage sehr schwierig. Wir haben die Oberpräsidenten hier ver- 
sammelt gesehen. Die sämtlichen Pastoren von Berlin traten zusammen. Die Par- 
teien halten Fraktionssitzungen — kein Mensch weiß, woran er ist, und alle fassen 
sich an den Kopf, wie man plötzlich vor einer solchen Katastrophe stehen kann. Wir 
werden aufgefordert, zu sagen: stellt die Lage ernst dar, aber noch nicht verzweifelt. 
Damit bekommt man keine Hochstimmung. 
General Cudendorff: In keiner Weise. 
Pi#zepräsident Friedberg: Jetzt hören wir, daß die Sache wesentlich anders liegt. 
Da stimme ich mit Exzellenz von Payer darin überein, daß wir rasch aus der Note 
an Wilson herausholen sollten, was herausgeholt werden kann. 
Der Reichskanzler: Euer Exzellenz meinen, daß vier Wochen guter Stimmung 
nötig sind? 
GeneralLudendorff: Wenn es mehr sind, ist es mir lieber. Jedenfalls wird nach 
dieser Frist die Krise an der Westfront zu Ende sein, wenn wir auch noch zurückgehen 
müssen. Man hat das so im Gefühl. Die Angriffskraft des Feindes war in den letzten 
Tagen nur noch gering. 
Der Reichskanzler: Aber innerhalb von acht bis zehn Tagen kommt wieder eine 
neue Welle, wie Euer Exzellenz damals im Gespräch mit mir selbst gesagt haben. 
General udendorff: Die kommt. Ein neuer Angriff ist bei der 18. Armee schon 
in Gang; wie es da steht, weiß ich nicht. Morgen kommt wieder einer bei der 
5. Armee; das hört nicht auf. 
Der Reichskanzler: Es kommt nun darauf an, daß die Maßregeln, die Sie emp- 
fehlen, den Angriffen einen solchen Riegel vorschieben, daß man politisch wieder frei 
arbeiten kann. Euere Exzellenz wissen, daß ich damals nicht für die Friedensnote war, 
aber es wurde mir gesagt, jede Stunde kostete uns so und so viele hunderttausend Mann 
und jeder Augenblick könne eine Katastrophe') herbeiführen. Exzellenz von Hintze ist 
mein Zeuge. 
Exzellenz von Hiutze: Das ist so, Euere Großherzogliche Hoheit'). 
General dendorff: Es ist auch heute so, daß wir jeden Tag eingedrückt und 
geschlagen werden können. Vorgestern ist es gut gegangen; es kann auch schlecht 
gehen"). 
*) Von Katastrophe ist militärischerseits nicht gesprochen. Nach der Antwort des 
Herrn v. Hintze kann ich nur annehmen, daß er es getan hat. Die Worte, die ich darauf 
erwiderte, kann ich nicht mehr feststellen. Sie gehen aus dem Protokoll nicht hervor. 
Vielleicht gibt die nachfolgende Entgegnung des Reichskanzlers darüber einen gewissen 
Ausschluß. Die Ergänzung überlasse ich dem Leser, außerdem weise ich auf Heft 2 
meiner Entgegnung zum Weißbuch nochmals besonders hin. Der Verfasser.
	        
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