— 2 —
2. Von der TLandwirtschaft und ihrer Aufgabe in Deutschland.
Die Erde, auf der wir wandeln, ist auch die Mutter, welche uns alle
nährt und kleidet und in unermeßlicher Fülle darbietet, was zur Notdurft
und zum Genusse des Lebens gehört.
Der Erde ihren Segen abzugewinnen und sie so zu pflegen, daß sich
dieser ununterbrochen erneuert, ist zunächst der Beruf des Landwirts, sei
er Ackersmann oder Obstzüchter oder Winzer. Jeder ist darauf hingewiesen,
das Land zu bauen und zu pflegen, damit es ihm Ernte gebe zu seiner
Zeit. So war es auch nach der Heiligen Schrift von Anfang an. Gott
setzte den ersten Menschen in den Garten Eden, „ihn zu bebauen und zu
bewahren", und die Söhne desselben waren der eine ein Ackersmann, der
andere ein Hirte. Der Ackersmann tötet den Hirten und seine Kinder
bauen sich feste Wohnsitze und pflegen die Künste des Friedens und die
Gewerke (1. Moses 4). Das ist das Urbild der menschlichen Geschichte.
Soweit unsere geschichtlichen Kenntnisse zurückreichen, wissen wir, daß
die ältesten Völkerschaften bloß von der Jagd auf die Tiere des Feldes,
des Waldes und des Wassers lebten. Das war der einfachste und natürlichste
Erwerb der Lebensbedürfnisse, daß der Mensch ohne weiteres hinnahm,
was ihm die Natur freiwillig darbot. Je mehr sich aber die Menschen
mehrten und das Wild sich minderte, desto unsicherer und mühseliger wurde
dieser Erwerb. Die Menschen begannen nun einzelne geeignete Tierarten
zu zähmen und zu pflegen, und aus den Jägervölkern wurden Hirten-
völker. .
Sie konnten es bleiben, so lange ihre Herden genügende Weide fanden,
und es ihnen zusagte umherzuziehen von einer Gegend in die andere;
sobald aber bei vermehrter Zahl die natürlichen Weideplätze nicht mehr
ausreichten, waren sie gezwungen, dem Boden durch künstliche Mittel, durch
Anbau und Bepflanzung mit gewissen Nährgewächsen, eine genügende
Menge von Nahrungsstoffen abzugewinnen. Sie wurden Ackerbauvölker
und der Ackersmann verdrängte den wandernden Hirten.
Damit war aber der Grund zu der ganzen späteren Gesittung der
Menschheit gelegt. Nun erst war sie veranlaßt feste Wohnplätze zu nehmen
und ordentliche Hütten zu bauen. Mit den ersten bleibenden Ansiedelungen
entstand das feste Eigentum. Es bildeten sich Nachbarschaften und aus
diesen später eine Art von Gemeindewesen und mit diesem gewisse Rechts-
zustände. Als sich der Landbau weiter entwickelte, vervielfältigte er das
Nachdenken und die Beschäftigung der Menschen nach allen Seiten hin. Er
führte zu Gewerben und Künsten verschiedener Art, vereinigte die Leute
in immer größerer Zahl, verband sie zu Tausch und Handel, milderte und
veredelte ihre Geselligkeit und Gesittung.
So wurde der Landbau zur Wiege der menschlichen Gesittung. Er
baute Dörfer und Städte, gründete Reiche und lehrte sie die Wohltaten
der Heimat und des Gesetzes, die Künste des Friedens, die Tugenden des
Bürgertums. Der Stand des „Bauers“ im weitesten Sinne des Wortes
ist also nicht nur der älteste und ehrwürdigste der menschlichen Gesellschaft,