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sondern ist ihr auch zur Quelle unendlichen Segens geworden. Auf ihm
ruht heute noch das Wohl der gesitteten Welt, da er das tägliche Brot und
das Kleid gibt. Der Landbau hat die Völker erhalten und diejenigen,
welche sich ihm nicht widmeten, sind größtenteils spurlos verschwunden.
Finden wir heutzutage noch in fernen Gegenden kleine Völkerschaften ohne
Landbau und Viehzucht, bloß von Jagd und Fischfang lebend, so sehen
wir auch, daß sie auf der tiefsten Stufe der Gesittung stehen oder ihrem
Untergang entgegengehen.
In neuerer Zeit hat sich die Gewerbetätigkeit aller Art sehr vervoll-
kommnet und ihre Erzeugnisse haben sich außerordentlich vermehrt. Wäh-
rend Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Ackerbaustaat
galt, dessen Bewohner zu 65 0% in der Landwirtschaft tätig waren, ist es
jetzt zu einem Industrie= und Ackerbaustaate geworden, dessen Bevölkerung
sich nicht einmal mehr zu einem Drittel mit Landbau, Viehzucht und Gärt-
nerei beschäftigt. An Ackerland, Gartenland, Weinbergen, Wiesen, Weiden
und Hutungen ist nach der Aufnahme von 1900 eine Gesamtfläche von
35.055 390 ha vorhanden; bei der Benutzung des Acker= und Gartenlandes
waren gewidmet: 16 050 990 ha den Getreidearten und Hülsenfrüchten,
4593 220 ha den Hackfrüchten und Gemüsen, 187 910 ha den Handels-
gewächsen, 2 656 660 ha den Futterpflanzen, 2 285 740 ha der Ackerweide
und der Brache, 482 790 ha den Haus= und Obstgärten. Den Bedarf an
Brotfrüchten vermag die deutsche Landwirtschaft zur Zeit nicht zu decken,
weshalb eine erhebliche Zufuhr aus Bulgarien, Osterreich-Ungarn, Ru-
mänien, Rußland, Serbien, Britisch Indien, Argentinien, den Vereinigten
Staaten von Amerika und dem Australischen Bund#y erfolgt, die im Jahre
1911 an Roggen 614 115 Tonnen und an Weizen 2 488 333 Tonnen betrug.
Das Streben der deutschen Landwirtschaft muß also dahin gehen,
Deutschlands Bedürfnis an Brotfrüchten durch die Erzeugnisse des eigenen
Landes zu befriedigen. Die Hauptmittel dazu sind: Vermehrung des
Kulturbodens, Steigerung der Ertragsfähigkeit des Bodens,
Hebung der Viehzucht, des Obst= und Futterbaues, der Milch-
wirtschaft und gründliche Verbesserung aller Zweige der Land-
wirtschaft überhaupt.
Der deutsche Bauernstand hat eine große und hochwichtige Aufgabe
zu erfüllen. Er darf mit Recht erwarten in der Lösung derselben von allen
Seiten, namentlich von seiten des Staates, kräftig unterstützt zu werden.
Seine Hauptstützen aber liegen in ihm selbst, in seiner Einsicht
und Bildung, in seinem rechtschaffenen Fleiße und dem un-
ermüdlichen Streben vorwärts zu kommen und sich die Fort-
schritte und Erleichterungen der Neuzeit zunutze zu machen.
Dann „wird auch der Herr den Acker segnen und der Acker wird Frucht
tragen.“ (1. Mos. 27, 28.) ·
Nach Fr. v. Tschudi und dem „Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich, Jahrg. 1911.“
52) Die 5 Kolonien des australischen Festlandes (Queensland, Neu-Süd-Wales,
Viktoria, Südaustralien, Westaustralien) und Tasmanien.