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3. Der Ackerbau, eine Schule der Religiosttät.
In dem Ackerbau erkennen wir die Grundlage aller bürgerlichen Ge-
selligkeit und Ordnung; in ihm die sicherste, wenn auch nicht immer die
reichste Quelle des Wohlstandes im Staat und in den Familien; in ihm end-
lich eine vorzügliche Schule einer frommen, gottergebenen Gesinnung,
die wir unter dem schönen Namen Religiosität begreifen.
Zwar der Ewige, dessen allmächtiges Wirken das ganze Weltall durch-
dringt, hat sich keinem seiner vernünftigen Geschöpfe verborgen. Ein
geheimer Zug des Herzens führt zu ihm. Es will religiös sein, ehe es weiß,
daß es soll. Die Vernunft selbst ist eine innere lebendige und unerschöpf-
liche Quelle seiner Erkenntnis und der aufmerksame Beobachter dessen,
was ihn umgibt, hat nicht nötig, Landwirt zu sein und den Pflug zu führen,
um im Auftauchen der Sonne, im Sternenheer, das die Nacht durchschim-
mert, im Gewittersturm, in der Blume des Feldes, in dem weisen Zu-
sammenhang aller Dinge den zu schauen, zu bewundern, anzubeten, den das
Herz so geheimnisvoll ahnt und die Vernunft so unausweichbar erkennt.
Allein es ist doch nicht zu leugnen, daß von den unzähligen Berufsarten
und Geschäften, in welche sich das bedürfnisreiche Geschlecht der Sterb-
lichen teilt, das eine weniger, das andere mehr von der Anschauung der
großen, herrlichen Natur und dem Andenken an ihren Urheber abzieht
und daß der Landmann mehr als jeder andere in ihm festgehalten wird.
Wohin er das Auge wendet, wird er an den Schöpfer und Erhalter aller
Dinge, an den Allmächtigen, Allweisen, Allessegnenden erinnert und seiner
unsichtbaren Gegenwart nahegestellt.
Ich würde die Zeit nicht finden, wenn ich alle Denkmale der Allmacht
und Güte und Weisheit aufzählen wollte, die ihn in allen Tageszeiten,
in allen Jahreszeiten, vom Morgenrot des ersten Frühlingstages bis zum
letzten duftenden Herbstabend, in allen seinen Geschäften unaufhörlich um-
geben. Der Berg und das Tal, der Grashalm, die Blume des Feldes
zeugen von Gott. Im Gesang der Lerche, im Säuseln des Abendwindes,
im Rollen der Gewitter vernimmt er seinen Preis. Aus allen Blumen-
kelchen steigen Weihrauchdüfte zu ihm empor. Wohin er seine Blicke wendet,
begegnet ihm sein Gott. Die ganze Natur wird ihm zum Tempel des
Vaters aller Wesen, in dessen Händen sein Schicksal ruht. Welche andere
Berufsart erinnert so unaufhörlich, so unausweichlich an die Abhängigkeit
von Gott, an die engen, unverrückbaren Verhältnisse zwischen dem Sterb-
lichen und ihm?
Zwar gestehen wir gerne zu, daß jeder Mensch in jedem Alter, auf
jeder Stufe des Glückes, in jedem Berufe Gelegenheit genug findet, wenn
er auf seine Gefahren achten will, seiner Ohnmächtigkeit sich bewußt zu
werden und den Lenker seiner Schicksale über den Sternen zu suchen und
zu vernehmen. Allein dies alles zugestanden, steht doch die ackerbauende
Volksklasse noch in einem besonderen Verhältnisse zu dem Herrn der Natur
und wird öfter und lebhafter als jede andere an ihre Abhängigkeit von
ihm erinnert. Der Landmann darf die Fruchtbarkeit des Erdreichs, dem