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breitung den lockeren Sand befestigt, nützlich. Das Sandgras zeigt uns
die Möglichkeit, auch Wüsteneien ganz allmählich mit einer neuen Pflanzen-
decke zu bekleiden.
Wenn sich im Winter Schnee und Eis auf dem Gebirge häuft um
vor der Sonne des Frühlings zu schmelzen, so schwellen die Ströme plötz-
lich an, ein Bergstrom kommt zu anderen, die Wassermasse stürzt mit
Macht ins Tal hinab. Bedeckt ein Wald des Gebirges Grund, fließen die
Ströme durch fruchtbares Land, so wird ein großer Teil des schmelzenden
Schnees, der auf den Bäumen oder unter ihnen liegt, von der lockeren Damm-
erde des Bodens aufgesogen und zurückgehalten, während er da, wo ihn
der Boden nicht aufnimmt, die Wassermenge der Flüsse vermehrt. Seitdem
die Wälder verschwanden oder über alle Gebühr gelichtet wurden, sind
die Überschwemmungen der Flüsse im Frühjahre furchtbarer als je
hervorgetreten.
Ein Bergrücken, eine Mauer, ein Wald schützen vor dem Winde. Der
Windschutz des Hochwaldes ist in mancher Gegend nicht ohne wohltätigen
Einfluß; von ihm beschirmt, gedeiht der junge Wald, gedeiht das Ackerland;
er verhütet die weitere Ausbreitung des Flugsandes; er hemmt die nach-
teilige Einwirkung austrocknender Winde; er gewährt endlich Schatten und
Kühlung. Der wohltätige Einfluß des Waldes auf die Luftbeschaffenheit
einer Gegend läßt sich nicht mehr in Zweifel ziehen. Der Gesundheitszu-
stand der Menschen und Tiere, das Gedeihen der Pflanzen ist von der Luft-
beschaffenheit einer Gegend abhängig; manche verheerende Krankheit,
die wir vormals nicht kannten, hängt vielleicht mit einer Veränderung der
Atmosphäre durch die Verminderung der Wälder zusammen.
Der Wald hat aber auch noch eine sittliche und nationale Bedeutung.
In unseren zahlreichen deutschen Walddörfern blüht das Volksleben noch
im naturfrischen Glanze. Wie die See das Küstenvolk frisch erhält, so wirkt
in gleicher Weise der Wald im Binnenlande. Der Waldbauer ist lustiger
als der Feldbauer; er singt noch mit den Vögeln des Waldes um die Wette.
Ein Dorf ohne Wald ist wie eine Stadt ohne historische Bauwerke, ohne
Denkmäler, ohne Kunstsammlungen, ohne Theater und Musik. Der Wald
ist der Turnplatz der Jugend und die Festhalle der Alten. Wir müssen den
Wald erhalten nicht bloß, damit uns der Ofen im Winter nicht kalt werde,
sondern auch, damit die Pulse des Volkslebens warm und fröhlich weiter
schlagen, damit Deutschland deutsch bleibe. K. Schacht.
92. Ein Wintertag im Waldr.
Voll und schwer sind die Schneeflocken herabgerieselt, fast die ganze
Nacht hindurch, bis zum herandämmernden Morgen. Dann hat ein gelinder
Frost die Schneedecke überhaucht und gefestigt. Ein solcher Wintertag
ist vorzugsweise dazu geeignet, um die heimische Natur auch in dieser Jahres-
zeit in all ihrer Schönheit kennen zu lernen; wir wandern daher heute schon
früh hinaus in den stillen, tiefverschneiten Wald.