Sobald uns das Waldesdunkel aufgenommen, macht sich die Ruhe
und Waldeinsamkeit so recht fühlbar. Außer dem knirschenden Geräusch
unserer eigenen Schritte ist weithin kein Laut zu vernehmen und in gleicher
Weise erscheint uns der ganze Wald starr, ohne Bewegung und Leben.
Wo die Strahlen der Morgensonne durch die dichten Wipfel der Nadel-
hölzer brechen, umgolden sie die weiße Schneerinde, welche sich von dem
Grün der Kieferngebüsche gar wunderschön abhebt.
So weit unsere Blicke reichen, reihen sich zu beiden Seiten des Weges
die Baumstämme ziemlich dicht aneinander und machen fast den Eindruck
einer unendlichen Säulenhalle, deren Wölbungen die Baumkronen bilden
und deren Boden die schneeweiße Decke ist.
Plötzlich erweitert sich das Walddickicht an einer Seite zur weithin
übersehbaren Fläche, von den Forstleuten „Lichtung“ oder „Blöße"“ ge-
nannt, hier und da mit einigen einzelnen Bäumen bestanden. Dies ist
ein „Plan" des Forstes, auf welchem vor kurzer Zeit das „hohe Holz“ her-
untergeschlagen worden. Die einzelnen Stämme hat man als „Samen-
bäume“ stehen lassen, damit von ihren Sämereien die Fläche wieder angesät
und allmählich bewaldet werde. Hier machen wir Halt.
Wohl verwahrt mit warmen Kleidern und Schuhzeug, so daß wir
der gelinden Kälte zu trotzen vermögen, stellen wir uns nun so hinter einem
dichten Busche auf, daß wir durch denselben gedeckt sind, d. h. von besonders
scheuen wilden Tieren nicht bemerkt werden, unsererseits aber gute Um-
schau halten können.
Ein knisterndes Geräusch lenkt unsere Aufmerksamkeit seitwärts nach
dem Walde hinein. Hier bietet sich unseren Blicken eine eigentümliche
Erscheinung. Eine Gesellschaft Kreuzschnäbel tummelt sich in den Zweigen.
Es sind wunderliche Vögel, deren selbstgeschäftiges Treiben mit der tiefen
Waldesruhe so recht übereinstimmt und doch das Bild zu einem lieblich
lebensfrohen macht. Gleich Rubinen erglänzen sie im dunkelroten Ge-
fieder auf den grünen, weißüberzogenen Zweigen; hier wiegt sich einer,
mit dem Kopfe nach unten hängend, an den schwankenden Reisern, dort
bricht ein anderer mit dem sonderbaren, kreuzweise übereinandergebogenen
Schnabel bedächtig die Schuppen der harten Kiefern= und Fichtenzapfen
auseinander um die Samen darunter hervorzuholen. Dies Aufbrechen
verursacht eben jenes leise und einförmige Knistern. Ein dritter Kreuz-
schnabel sitzt auf dem höchsten Wipfel einer kleinen Fichte und läßt sein ein-
faches Lied ertönen. Merkwürdig, trotz Sturm und Graus, Eis und Schnee
ist doch jetzt gerade die Brutzeit dieser sonderbaren Vögel. Unter einem
dichten Kiefernzweige, vor dem Schnee wohlverwahrt, finden wir ein Nest
mit ganz kleinen Jungen, welche die Mutter sorgsam bedeckt und gegen die
e verwahrt, während der Vater die ganze Familie füttern und ernähren
muß.
Der Wintertag bricht nur langsam an; wohl dringt schon hin und
wieder ein Strahl der Morgensonne durch das Schneegewölk, doch im übrigen
hüllt noch graue Dämmerung die ganze Natur in ihr düsteres Gewand.
Vor uns, weit jenseits der Lichtung, wird es lebendig. Gestalten tauchen