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2. Uber die Kultur der Erdbeere.
Die Landwirtschaft treibende Bevölkerung unseres Vaterlandes
ist durch viele Fehljahre in der letzten Zeit in ihren Vermögens-
verhältnissen sehr zurückgekommen. Wir dürfen uns daher nicht.
wundern und es dem Landmanne nicht verargen, wenn er schließ-
lich ungeduldig und unzufrieden wird. Auf der andern Seite aber
müssen wir seinen nie versiegenden Mut und seine rastlose Tätig-
keit bewundern, die ihn immer neue Mittel und Wege finden lassen
seinen Lebensunterhalt der Erde abzugewinnen; wir müssen uns
erfreuen an seinem Schaffensgeiste, der ihn dazu führt, das, was
er auf einem Gebiete verloren hat, auf einem andern wieder zu.
erringen. So haben sich die Bewohner des Dorfes Staufenberg in
Baden trotz der Mißernten auf beinahe allen Gebieten der Land-
wirtschaft in den letzten Jahren nicht nur ihr ordentliches Aus-
kommen gesichert, sondern es sind viele derselben durch sorgsame
Pflege der Erdbeerkultur zu einem gewissen Wohlstande gelangt.
Schon in früherer Zeit haben sich viele Bewohner des Dorfes neben
der Bewirtschaftung ihrer Felder dadurch einen lohnenden Neben-
verdienst erworben, daf sie die in den umliegenden Wäldern reich-
lich wachsenden Beeren sammelten und an Händler verkauften.
Diese brachten sie nach dem naheliegenden Baden-Baden, wo die
Beerenfrüchte bei dem dortigen groen Fremdenverkehr sehr gut.
bezahlt wurden. Hierbei schon spielte die Erdbeere eine große
Rolle; natürlich war dies zunächst nur die wildwachsende Walderdbeere.
Ende der dreifiiger Jahre des vorigen Jahrhunderts lief der Kurfürst.
von Hessen-Kassel in Baden einen großen Garten anlegen, wobei
auch Staufenberger Taglöhner arbeiteten. Bei dieser Gelegenbeit
lernten dieselben außer der bekannten Walderdbeere auch verschiedene
großfrüchtige Erdbeersorten kennen und brachten davon einzelne
Stöcke, deren Früchte unter dem Namen „welsche Erdbeeren“ bekannt
wurden, nach Staufenberg. Da sich dieselben sehr rasch vermehrten,
s0 waren schon nach einigen Jahren kleinere mit Erdbeeren bepflanzte
Beete nicht nur in Gärten sondern auch *i in den Wein-
bergen zu sehen.
Mit der Pflege dieser Pflanzen beschäftigten sich zunächst nur
die Obsthändler, welche ihre Früchte auf dem Markte in Baden ab-
setzten. Dort sahen die übrigen Landwirte, daß sich die Erdbeer-
Ppflanzungen als sehr erträglich erwiesen, und sie versuchten, einer
nach dem andern, selbst solche Pflanzungen anzulegen. So breiteten
sich diese immer mehr aus und schon bei Beginn der sechziger
Jahre gab es unter den Landwirten Staufenbergs wenige mehr, die
nicht ein oder mehrere Grundstücke ausschließlich mit Erdbeer-
pflanzen bebauten. Da die Lage des Ortes, der auf drei Seiten von
Bergen umgeben und dadurch gegen die rauhen Nord- und Ost-
winde geschützt ist, für diese Anpflanzung eine sehr günstige ist, so.