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nun ärgerte er sich nicht mehr über den Meister, der ihm seine Lieder-
lichkeit vorgehalten hatte, sondern über sich, daß er so liederlich ge-
wesen. Trotzdem gab er kein gutes Wort und es schien ihm nichts
recht. Er war zerfallen mit sich selbst und mit der ganzen Welt.
Aber des Bauern ruhiges, ernstes Wesen gegen ihn schmolz endlich
die Eiskruste der Selbstverblendung und führte Uli nach und nach nicht
nur zu guten Vorsätzen sondern auch zu völliger Umkehr. So blieb er
bei seinem Meister als Knecht, bis er durch dessen Vermittlung nach
Jahren einen einträglicheren Platz erhielt. Durch Sparsamkeit und freund-
liche Beihilfe seines fräheren Herrn sehen wir ihn endlich selbständig
werden. Aus „Uli, der Knecht“, von Jeremies Gotthelf.
19. Vom Dienen.
Der Bauer Johannes spricht: „Ich denke mein Lebtag daran, wie
unser Pfarrer uns das Dienen ausgelegt hat in der Unterweisung und
wie er die Sache so deutlich gemacht hat; man hat ihm müssen glauben
und es ist mancher glücklich geworden, der ihm geglaubt hat. Er hat gesagt:
Alle Menschen empfingen von Gott zwei große Kapitalien, die man zinsbar
zu machen habe, nämlich Kräfte und Zeit. Durch gute Anwendung der-
selben müßten wir das zeitliche und ewige Leben gewinnen. Nun habe
mancher nichts, woran er seine Kräfte üben, seine Zeit nützlich und abträglich
gebrauchen könne; er verleihe daher seine Kräfte, seine Zeit jemandem, der
zu viel Arbeit, aber zu wenig Zeit und Kräfte habe, um einen bestimmten.
Lohn; das heiße dienen. Nun sei dies eine gar traurige Sache, daß die
meisten Dienstboten ihr Los als ein Unglück betrachteten und die Meister-
leute als ihre Feinde oder wenigstens als ihre Unterdrücker, daß sie es als
einen Vorteil ansehen, im Dienste so wenig als möglich zu machen, so viel
Zeit als möglich verlaufen und verschlafen zu können, daß sie untreu würden;
denn sie entzögen dem Meister das, was sie verliehen, verkauft hätten,
die Zeit. Wie aber jede Untreue sich selbst bestrafe, so führe auch diese Un-
treue gar fürchterliche Folgen mit sich; denn so wie man untren sei gegen
seinen Meister, sei man auch untreu an sich. Es gebe jede Ausübung un-
vermerkt eine Gewohnheit, welche man nicht mehr loswerde. Wenn so
ein Knechtlein jahrelang so wenig als möglich getan, so langsam als möglich
an einer Sache gemacht, allemal gebrummt habe, wenn man ihm etwas
zugemutet, entweder auf und davon gemacht habe, unbekümmert wie es
komme, zu nichts Sorge getragen, so viel als möglich unnütz gebraucht,
nie Angst gehabt, sondern für alles gleichgültig gewesen sei, so gebe das erstlich
eine Gewohnheit und die könne es später nicht mehr ablegen. Zu allen
Meistern bringe es diese Gewohnheit mit, und wenn es am Ende für sich
selbst sei, sich verheirate, wer müsse dann diese Gewohnheiten, diese Trägheit,
Schläfrigkeit, Meisterlosigkeit, Unzufriedenheit haben als es selbst? Es
müsse sie tragen und alle Folgen, Not und Jammer bis ins Grab, durch das
Grab bis vor Gottes Richterstuhl. Man solle doch nur sehen, wie viele tausend