Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

72 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 10. 
  
und reicht inhaltlich viel weiter. Der König unterliegt nicht nur dem Strafrecht nicht; 
auch die Polizeigewalt, Polizeibefehl und Polizeizwang können ihm nicht an. Alle öffent— 
lichen Lasten sind nicht da für ihn: Heerdienst, Zeugendienst, Schöffen= und Geschworenen- 
dienst. In diesen Zusammenhang gehört, was schon oben 9§ 7, IINr. 1 hervorgehoben wurde: 
das Gesetz über Erwerb und Verlust der Reichs= und Staatsangehörigkeit ist nicht auf ihn 
anwendbar, stillschweigend und selbstverständlich, weil es nur auf Untertanen gemünzt 
ist. Hier löst sich auch die so manchmal aufgeworfene Frage nach dem aktiven und passiven 
Wahlrecht des Königs zu Reichs-, Landtags-, Gemeindewahlen; selbstverständlich hat er 
kein solches, weil das ein ausgesprochenes Untertanenrecht ist.25) Diese Beispiele ge- 
nügen; Aufzählung wollen wir nicht versuchen; der Grundsatz selbst ist ja einfach und ohne 
Schwierigkeit durchführbar. 
Der König lebt also nach Königsrecht und daneben auf dem beschränkten Ge- 
biete, wo er als Privatmann erscheint, nach allgemeinem Recht. Da er mithin 
in mannigfacher Gestalt von Rechtsbestimmungen und Rechtsschranken umgeben ist, kann 
es ihm menschlicherweise begegnen, diese zu verletzen. Dann entsteht von selbst die Forderung 
nach der Gegenwirkung, die zu Ehren des Rechts erfolgen soll, um es auch an dieser Stelle 
als gültig zu erweisen. Und erst an diesem Punkte ist es nun, wo der Satz der Verfassung: 
„Seine Person ist heilig und unverletzlich“ Sinn und Bedeutung erhält. Es handelt sich nicht 
darum, den König gegen rechtswidrige Angriffe zu schützen; das steht ohnehin fest. Recht- 
mäßige Verteidigung andererseits, Notwehr, kann auch dem Könige gegenüber dem Ein- 
zelnen nicht versagt sein; das wäre gegen die Natur. Der Satz hat seine wahre Bedeutung 
darin, daß er eine Grenzlinie zieht auch für die berufene Geltendmachung 
staatlicher Rechtsordnung gegen den König. Nicht umsonst ist er 
in den Verfassungsurkunden überall angehängt an die Erwähnung der dem König ge- 
setzten Rechtsschranken. Auch um diese zu wahren, dürfen niemals Mittel angewendet 
werden, die eine gewaltsame Einwirkung auf sein leibliches Dasein vorstellen oder darauf 
gerichtet sein könnten, seiner persönlichen Würde und Ehrenstellung durch einen Tadel, 
eine Mißbilligung, einen Vorwurf oder Verdacht, eine Respektlosigkeit zu nahe zu treten. 
Wenn auch das gemeine Untertanenrecht in weitem Maße ohnehin ausgeschlossen ist, so lassen 
doch die verfassungsrechtlichen Machtverteilungen und was von jenem übrig bleibt, mit den 
dazu gehörigen zivilprozessualen und verwaltungsrechtlichen Straf= und Zwangsbefugnissen 
der Behörden Möglichkeiten genug offen, um einen solchen Satz verständlich zu machen.2) 
28) Edler v. Hoffmann in Arch. f. öff. R. 18, S. 247 ff. möchte nur eine Unverein- 
barkeit der Reichstags-Abgeordnetenstellung mit der eines Fürsten annehmen, so daß also die Wahl 
eines Königs gültig wäre unter der Bedingung, daß er abdankt. Rehm, Fürstenrecht, S. 446, 
nimmt mit Recht an, daß die für einen Fürsten abgegebenen Stimmen ungültig seien. Ich bin 
der Meinung, daß der König auch das aktive Wahlrecht nicht hat. Damit wird seiner Würde keines- 
wegs zu nahe getreten; im Gegenteil. — Die Revidierte Städteordnung vom 24. April 1873 be- 
stimmt in § 14, Abs. 2: „Die Mitglieder des Königlichen Hauses sind nicht zu den Gemeinde- 
mitgliedern zu zählen.“ Bezüglich des Königs ist nichts bestimmt; für ihn ist das selbstverständlich. 
Es fehlte übrigens nur noch, daß man den König als Wähler den Untertaneneid schwören ließe: 
Treue dem König usw. — Zwischen Reichs= und Landtagswahlrecht ist hier kein Unterschied zu 
machen (Rehm, Fürstenrecht S. 445). Wer freilich das Reich als den Deutschen Staat an- 
sieht, der die sogenannten Bundesstaaten noch duldet, muß anders entscheiden. Nach meiner Auf- 
fassung sind die deutschen Fürsten nicht Reichsuntertanen, sondern zum Reich verbundene 
Souveräne. Da versteht sich jene Folgerung von selbst. 
29) Man irrt sich, wenn man diese Verfassungsbestimmungen einfach als Redensarten be- 
handelt. Das ist geltendes Recht und wird als solches tatsächlich gehandhabt. Das Recht ist im 
allgemeinen eher etwas rauh.] Dem Könige gegenüber untersagt es den mit staatlicher Gewalt
	        
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