938 Die Polizeigewalt.
noch regeln kann — mit einem Polizeibefehlsrechtssatz. Wo wir
von Polizeigesetz schlechthin sprechen, ist ein Gesetz gemeint, das
einen Polizeibefehl in Gestalt eines Rechtssatzes enthält.
Beides, Rechtssatz wie Einzelbefehl, erscheint aber auch
außerhalb der Form des Gesetzes, als Willensäußerung der „voll-
ziehenden Gewalt“, des Fürsten selbst und der Behörden. Ersteres,
soweit ein Verordnungsrecht dafür besteht, abgeleitet von einem
dazu ermächtigenden Gesetze (oben $ 8 n. 2). Wenn wir von
Polizeiverordnung schlechthin sprechen, ist wieder eine solche
gemeint, die einen Polizeibefehlsrechtssatz enthält ®.
Der Polizeibefehl für den Einzelfall, in Gestalt eines Ver-
waltungsaktes erlassen, ist als Entscheidung wie als Verfügung
denkbar (vgl. oben $ 9, S. 102); tatsächlich überwiegt die Ver-
fügung. Wenn man von Polizeiverfügung spricht oder von
polizeilicher Verfügung, so versteht man darunter einen
Verwaltungsakt mit Polizeibefehl oder auch mit Bescheid über
eine nachgesuchte Polizeierlaubnis, gewährend oder versagend; das
letztere geht uns hier vorerst noch nichts an*. —
8 Wo ein Stück Polizeigewalt einem Selbstverwaltungskörper zusteht,
können solche Rechtssätze auch erscheinen als Statuten, Ortsgesetze (oben $ 8
n. 3); das steht hier der Verordnung gleich.
* Eine eigentümliche Art von Polizeibefehlen wird sich noch ergeben,
wenn ein besonderes polizeiliches Gewaltverhältnis anzunehmen ist
in dem oben $ 9, III entwickelten Sinn. Dem entsprächen dann Befehle in
den erleichterten Formen der Anweisung, vor allem also auch Befehle, und
zwar polizeiliche Befehle, die ausgehen von Nichtbehörden, einfachen An-
staltsbeamten, polizeilichen Vollzugsbeamten. Ulbrich, Österr. Verw.R.
S.339 f. tritt in der Tat für diesen Begriff ein und spricht von Polizeibefehlen
als „Anweisungen kraft des Gewaltverhältnisses“. Beispiele sollen liefern:
die Stellung unter Polizeiaufsicht und die Anhaltung in einer Polizeianstalt.
Vielleicht könnte man auch an die den öffentlichen Dirnen nach Stf.G.B.
$ 361 n. 6 zu erteilenden Vorschriften denken; doch handelt es sich hier wohl
nur um gewöhnliche Polizeiverfügungen. Den wichtigsten Fall bietet jeden-
falls die Straßenpolizei. Hier ist es Brauch, in den zu Stf.G.B. $ 366 n. 10
erlassenen „Polizeiverordnungen“ eine Bestimmung zu treffen, welche Gehorsam
verlangt gegenüber den Einzelbefehlen der Schutzmannschaften. Wenn nach
einer Münchener Ortspol.Vorschr. das nur für Befehle „zur Vermeidung von
Verkehrsstörungen“ gilt, so hat die Leipziger Verkehrsordnung $ 150 einfach
den Text des Stf.G.B. angepaßt: „Den zur Erhaltung der Sicherheit usw. in
einzelnen Fällen von den Aufsichtsbeamten mündlich erteilten Anordnungen
ist sofort und unbedingt Folge zu leisten“. In Preußen sind derartige Be-
stimmungen sehr allgemein üblich. Diese „Zuständigkeit“ der Schutzleute
findet namentlich Anwendung gegen die Streikposten: KammerG. 23. Nov. 1899
(Reger AÄX S. 349); O.L.G. Dresden 14. Dez. 1905 (Fischers Ztschft. XAÄX
5.363). Das Bedenken, welches hier entsteht, ist zum Ausdruck gekommen