Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

28 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
und von der katholischen Kirche überliefert erhalten. Nun kommen 
bevor noch der Staat recht fertig ist, immer anspruchsvollere An- 
schauungen auf von dem, was er zu leisten hat, von Staats- 
zwecken und Staatsaufgaben, die dem Fürsten obliegen, 
und dementsprechend von den Rechten, die ihm deshalb zustehen 
müssen. Die Fürstenmacht leiht diesen Programmen willig den 
starken Arm, um sie zur Wirklichkeit zu führen. So wurde die 
Naturrechtslehre rechtsschöpferisch*. Sie wurde es in Deutsch- 
land zugunsten der Fürsten, statt zugunsten des absterbenden 
Reichs; seit dem westfälischen Frieden galt der Satz: alleneu auf- 
kommenden Hoheitsrechte fallen der Landeshoheit 
zu°®. Sie wirkte dabei auch ausgleichend: in der bunten Mannig- 
faltigkeit von Territorien kommt ein gewisser Normalstand 
der Landeshoheit zur Geltung®. 
Der Katalog der Hoheitsrechte, der heutzutage, wo 
er etwa noch erscheint, nicht viel mehr als eine Spielerei ist, war 
für die damalige Stufe des Öffentlichen Rechts von grundlegender 
Bedeutung. Seine Vollständigkeit und geschmackvolle Einteilung 
bildet auf lange Zeit eine Hauptaufgabe der Staatsrechtslehre, die 
sich nicht genug tun kann, ihn zu vermehren und zu verbessern !. 
Die ganze Erscheinung war ja nicht auf Deutschland be- 
schränkt. Hier aber stellt sie einen ausgeprägten Zustand des 
Beharrens dar. Das lag zum Teil wohl an der Neigung zu lang- 
samerer Entwicklung und an mangelndem Staatssinn. Vor allem 
aber wirkt hier doch noch der Reichsverband hemmend ein: über 
die Landeshoheit, bei welcher allein die Zukunft unseres Ver- 
waltungsrechtes liegt, ist hier ein großer Regulator gesetzt in der 
Reichsgerichtsbarkeit. 
— 
* Gierke, Naturrecht und Deutsch. R. (Rektoratsrede) S. 28. Die durch 
den Einfluß des Naturrechts geschaffene Sachlage findet einen sehr be- 
zeichnenden Ausdruck bei Lotz, Nachrichten S. 693: „das Staatsoberhaupt 
kann sich also die nötigen zufälligen Hoheitsrechte selbst beilegen.“ Ähnlich 
Häberlin, St.R. II S. 139. 
5 Pütter, Beitr. I S. 194. 
® Schmauß, compend. jur. publ. S. 312; Günderode, Abhandl. d. 
Deutsch. St.R. S. 1128. 
? Das Urbild der Inventarisierung der Hoheitsrechte scheint Bodinus 
geliefert zu haben (de re publ., lib. I cap. X). Zur höchsteu Vollendung ist 
die Kunst des Autbaues bei Pütter, Inst. jur. publ. lib. VI und VII, gebracht; 
vgl. den conspectus p. XXVII und XXVII. Kreittmayr, Allg. St.R. 88 8 
bis 31, nannte noch 24 Arten von Hoheitsrechten, während Gönner, St.R. 
$ 275, sich schon mit der Unterscheidung von 11 solcher Rechte begnügte.
	        
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