Full text: Das Hamburgische Staatsrecht.

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II. Meinungsverschiedenheiten. 
8 48. 
Überall, wo im Staatsleben eine Entscheidung von der Überein— 
stimmung verschiedener Faktoren abhängt, ist mit der Möglichkeit einer 
im einzelnen Fall nicht zu erzielenden Verständigung dieser Faktoren 
zu rechnen. Will man diese Möglichkeit und die eventuell aus ihr 
entstehenden Schwierigkeiten beseitigen, so giebt es nur zwei Wege: 
man muß entweder dem einen der mehreren Faktoren die schließliche 
Entscheidung einräumen, oder man muß eine über jenen Faktoren 
stehende Entscheidungsinstanz schaffen. 
Handelt es sich um eine Meinungsverschiedenheit zwischen den 
gesetzgebenden Faktoren, so lassen sich gegen beide Wege Bedenken er- 
heben. In den meisten Staaten hat man es denn auch vorgezogen, 
keinen der beiden zu betreten. In Hamburg dagegen hat es seit dem 
18. Jahrhundert eine besondere, unter bestimmten Voraussetzungen 
mit der Erledigung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Senat und 
Bürgerschaft betraute Entscheidungsinstanz gegeben. 
Art. 72). Die Ernannten sind, abgesehen von bestimmten Ausnahmen (Alter 
über 65 Jahre 2c.), zur ÜUbernahme und Fortführung der betreffenden Funktionen 
verpflichtet, unter dem Präjudiz einer „vom Senat auszusprechenden“ Geldstrafe 
(nicht über 1000 A; Verordnung vom 21. Juni 1860). 
1 H. Schulze sagt in seinem Deutschen Staatsrecht (Bd. 1, S. 505) bezüg- 
lich der freien Städte: „Bei der Gleichstellung der beiden staatlichen Organe, des 
Senats und der Bürgerschaft, welchen „conjunctim und pro indiviso“ die höchste 
Staatsgewalt zukommt, muß ein verfassungsmäßiges Mittel gegeben sein, um 
im Falle einer unüberwindlichen Meinungsverschiedenheit in wichtigen Staatsfragen 
doch zu einem endgültigen Beschlusse zu gelangen,“ Daß es gerade in den freien 
Städten — im Gegensatz zu anderen Staaten — ein solches Mittel geben müsse, 
kann nicht als zutreffend bezeichnet werden. Der von H. Schulze auch bei dieser 
Gelegenheit wieder herangezogene Umstand, daß die Bürgerschaft die rein formelle 
Mitinhaberin der höchsten Staatsgewalt ist, kann hier nicht in Betracht kommen, 
weil der Bürgerschaft im wesentlichen nur die gleichen Rechte zustehen, wie den 
Volksvertretungen in anderen Staaten (s. oben S. 128 u. 8 40 f.). Thatsächlich 
giebt es denn auch in Bremen keine Cntscheidungsinstanz für die nicht reine 
Rechtsfragen betreffenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Senat und Bürger- 
schaft. Bei dem Fehlen einer Entscheidungsinstanz muß eben in den freien
	        
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