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III. Durch Staatsgesetz ist 1888 generell für alle Religionsgemein—
schaften das Verfahren betr. einen Austritt aus denselben, soweit
derselbe von bürgerlicher Bedeutung ist, folgendermaßen geregelt.!
Wer auszutreten wünscht, hat zunächst bei der Aufsichtsbehörde
für die Standesämter schriftlich oder mündlich die Entgegennahme
seiner Austrittserklärung zu beantragen und dann, frühestens nach
Ablauf von 4 Wochen und spätestens innerhalb 6 Wochen nach Ein-
gang jenes Antrages, die Austrittserklärung persönlich vor der Auf-
sichtsbehörde für die Standesämter abzugeben. Wird die sechswöchige
Frist nicht eingehalten, so gilt der Antrag auf Entgegennahme der
Austrittserklärung als zurückgenommen. Die Aufsichtsbehörde hat
sowohl von dem Antrage wie von der Austrittserklärung baldthunlichst
gemeinschaften (die evangelisch-reformierte, die römisch-katholische und die israe-
litische Gemeinde), die Verhältnisse derselben durch seine Dekrete zu ordnen, sofern
es sich nicht um die Ausübung des öffentlichen Gottesdienstes handelt. Der Senat
hat sich jedoch im wesentlichen nur die Anfsicht über die Verwaltung des Gemeinde-
vermögens und die Bestätigung der Geistlichen vorbehalten. Was speciell den
Seelsorger der katholischen Gemeinde betrifft, so hat dieser, um seine Bestätigung
zu erwirken, dem Senat die Urkunden über seine Prüfung und Ernennung (durch
den apostolischen Vikar für die nordische Mission) vorzulegen und Auskunft über
seine früheren Lebensverhältnisse zu erteilen. Derselbe muß ferner die Bewilli-
gung des zu seinem Unterhalte erforderlichen Jahrgehaltes nachweisen und einen
Homagial-Revers unterzeichnen (vgl. Klügmann, Lüb. Staatsrecht, a. a. O.,
S. 53 u. 63).
In Bremen übt der Senat gegenüber den evangelischen Kirchen-
gemeinden (die teils lutherisch, teils reformiert, teils uniert sind) auf Grund
seiner oberbischöflichen Rechte folgende Befugnisse aus: Er verleiht den Satzungen,
durch welche die Gemeinden ihre Angelegenheiten im allgemeinen ordnen, durch
seine Bestätigung die Eigenschaft eines Rechtsgesetzes er übt die Aufsicht über die
Verwaltung des Kirchengutes und wacht über dessen bestimmungsmäßiger Ver-
wendung; ihm steht die Bestätigung und die Berufung der Pfarrer zu. Dazu
kommt bei einzelnen Gemeinden noch die Bestätigung aller Beschlüsse der Gemeinde-
versammlung, bei anderen die gewisser wichtigerer Beschlüsse. (Die einzelnen Ge-
meinden stehen unter sich in gar keiner verfassungsmäßigen Verbindung und ver-
kehren demgemäß direkt mit dem Senat.) Den nicht evangelischen Reli-
gionsgemeinschaften gegenüber stehen dem Bremer Senat analoge Rechte zu
wie dem Lübecker. Die Bestätigung der katholischen Geistlichen erfolgt „unter
Voraussetzung des Gehorsams gegen den Senat und die Gesetze.“ (Vgl. Sievers,
Brem. Staatsrecht, a. a. O., S. 78 u. 84, u. Verf., § 57, d.)
1 Gesetz betr. den Austritt aus einer staatlich anerkannten religiösen Ge-
meinschaft vom 12. Dez. 1888.