Full text: Das Hamburgische Staatsrecht.

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sich also hier um eine dem aristokratischen Charakter der Wahl 
gewissermaßen entgegenwirkende Maßregel, die umsomehr als demo— 
kratisch bezeichnet werden kann, als das „blinde“ Los stets ein vom 
Princip der Gleichheit ausgehender demokratischer Faktor ist.7 
Trotz der eigentümlichen Art und Form der alten Hamburger 
Ratswahl empfahlen die Vorkämpfer der ersten, nach dem großen 
Brande von 1842 hervorgetretenen Bewegung zu Gunsten einer Ver- 
fassungsreform die Beibehaltung derselben.? Schon wenige Jahre 
später aber — 1848/49 — hatten sich infolge des veränderten Zeit- 
geistes auch die Ansichten über die Ratswahl in Hamburg wesentlich 
geändert. Die Konstituante beschloß einfach: Wahl des Rats durch 
die allein gesetzgebende Bürgerschaft. Diese radikale Umgestaltung 
ward zwar von dem gemäßigteren Teil der Bevölkerung verworfen; 
doch sahen andererseits auch die meisten ein, daß die bisherige Selbst- 
ergänzung des Senats nicht mehr zeitgemäß sei. Der an der Spitze 
der gemäßigteren Reformer stehende „Patriotische Verein“ schlug im 
Juni 1849 vor, die Bürgerschaft solle aus einem vom Senate vor- 
gelegten Wahlaufsatz wählen, und der Senat modifizierte dies im 
September 1849 dahin, daß der Wahlaufsatz vom Senat oder wenigstens 
unter „dessen wesentlichster Mitwirkung“ anzufertigen wäre.3 Von 
diesen Vorschlägen ausgehend, erfand dann die sogenannte Neuner- 
kommission das komplizierte Wahlverfahren der neuen Verfassung, 
nach welchem sowohl der Senat wie die Bürgerschaft in bestimmter 
Weise bei der Aufstellung des Wahlaufsatzes und bei der Wahl aus 
diesem Aufsatze mitwirken. 
der tüchtigsten und bequemsten zum Regiment, Recht und Nutzen dieser Stadt“ 
erachteten, auch von ihr dieser Wahl wegen nichts erhalten hätten oder er- 
warteten. 
1 „Die Gleichheit, auf welcher die Demokratie beruht, ist die Gleichheit der 
Zahl. Ihr Ausdruck ist nicht: Jedem nach seinen Verhältnissen, sondern: Einer 
wie der andere.“ (Bluntschli, Allgem. Staatsrecht, 5. Aufl., 1875, S. 535.) 
Die letzte Konsequenz dieses Princips sind die als ein charakteristisches Merkmal 
der antiken Demokratie bezeichneten Losämter. 
* Kommissionsbericht an die Unterzeichner der Petition vom 8. Juni 1842, 
S. 29 f. 
6 v. Melle, Kirchenpauer, S. 341 und 359.
	        
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