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nicht Krieg führen, wir acceptiren die Situation des Frankfurter Friedens
gerade so, wie wir die Situation des Pariser Friedens im Jahre 1815
acceptirt haben, und wir beabsichtigen keinen Krieg wegen Elsaß zu führen?
Giebt es in Frankreich ein Ministerium, welches den Muth hätte? Nun,
warum giebt es das nicht? An Muth fehlt es den Franzosen doch sonst
nicht! Es giebt das deshalb nicht, weil die öffentliche Meinung in Frank-
reich dagegen ist, weil sie gewissermaßen einer mit Dampf bis zur Explosion ge-
füllten Maschine gleicht, wo ein Funke, eine ungeschickte Bewegung hinreichen kann,
um das Ventil in die Luft zu sprengen, und mit anderen Worten einen Krieg
herzustellen. Es wird das Fener so sorgfältig geschürt und gepflegt, daß
man die Absicht, es zunächst nicht und auch nach menschlichem Gedenken nicht
zu benutzen, um es ins Nachbarland hineinzuwerfen in keiner Weise vor-
auszusetzen berechtigt ist.
Nun ist ja die Frage: ist die Möglichkeit, daß wir von Frankreich an-
gegriffen werden, an sich ein ausreichender Grund, um diese Vorlage zu be-
willigen? Ich habe bei meiner Motivirung keine Koalitionen, keine Kom-
binationen und Konjekturen im Auge, sondern die einfache Möglichkeit, daß
wir und Frankreich uns ohne Bundesgenossen im freien Felde einander
gegenüberstehen. Schon wenn der Krieg ausbräche, würde die Kalamität
eine große. Bedenken Sie, was allein der ausbrechende Krieg, ganz unab-
hängig von dem Ausgange desselben, — zu sagen hat! Unser ganzer Handel
zu Lande und zur See, unsere ganzen industriellen Unternehmungen würden
sämmtlich lahm gelegt sein — ich brauche das wohl nicht zu schildern, Sie
haben es selbst erlebt. Diese Kalamität, daß der Krieg ausbrechen könnte,
wird vielleicht gefördert, wenn der Krieg leicht erscheint, wird verhindert,
wenn der Krieg schwer erscheint. Je stärker wir sind, desto unwahrscheinlicher
ist der Krieg. Die Wahrscheinlichkeit eines französischen Angriffs auf uns, die
heute nicht vorliegt, tritt ein, wenn unter dem Eintritt einer anderen Re-
gierung, wie die heutige, Frankreich irgend einen Grund hat, zu glauben,
daß es uns überlegen sei. Dann, glaube ich, ist der Krieg ganz sicher.
Diese Ueberzeugung kann beruhen auf Bündnissen, die Frankreich hätte. Ich
habe vorhin entwickelt, daß ich nicht glaube, daß solche Bündnisse stattfinden
werden; es ist eine Aufgabe der Diplomatie, danach zu streben, daß dies
verhindert werde, oder Gegenbündnisse zu haben, wenn dies eintritt. Ich
will blos das Duell zwischen uns und Frankreich ins Auge fassen.
Das kann also eintreten, sobald Frankreich stärker ist, als wir: einmal
durch Bündnisse oder auch durch die Ueberlegenheit seiner Bewaffnung. Diese
rein technische Frage überlasse ich meinem militärischen Kollegen; ungeachtet
der Uniform, die ich trage, fällt es mir nicht ein, habe ich nicht die Un-
bescheidenheit, meine Autorität in dergleichen Sachen über die der Herren zu
stellen. (Heiterkeit.)
Aber, wenn die Franzosen glauben, daß entweder ihre Armee zahl-
reicher ist, daß die Masse ihrer ausgebildeten Soldaten zahlreicher ist,
als die der unserigen, daß ihre Artillerie zahlreicher ist, oder vielleicht,