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hat den schwersten Stoß bekommen, als wir in diesem Reichstag eine polnische
Majorität gegen deutsche Interessen erlebten. (Oh! oh! links.) Es hat den
schwersten Stoß bekommen durch einen Eingriff zu Gunsten der polnischen
Nationalität in die Unabhängigkeit der preußischen Verwaltung. Da, meine
Herren, habe ich die Hoffnung auf Sie aufgegeben; wir hätten damals auf-
lösen sollen wegen Ihres Polonismus, dann wäre der ganze Bulgarismus
nachher nicht gekommen. (Heiterkeit.) Ich bin der Sache nur deshalb nicht
näher getreten, weil wir den Polonismus noch eine Zeit lang aushalten
können; aber Wehrlosigkeit können wir nicht zehn Minuten aushalten. Werden
wir da an die Wand gedrückt, so werden wir uns wehren mit der ganzen
Entschlossenheit, die uns das Gefühl einer gerechten Sache giebt.
Der Herr Abgeordnete hat gemeint, wir verlangten durch die Auflösung,
daß Männer gewählt werden sollten, die Alles unterschrieben, die Alles
acceptirten, was der Reichskanzler will. Das ist ja eine Uebertreibung, die
ich von dem Herrn in seinen Jahren doch kaum vermuthet hätte. (Heiterkeit
rechts.) Uebertreibungen lassen sich bei jugendlichen Leuten rechtfertigen, aber
so alt, wie wir Beide find, sollten wir uns doch mit dergleichen verschonen.
Es kommt uns nur darauf an, Leute gewählt zu sehen, die mit demselben
Patriotismus, mit derselben Zurückstellung der Parteifragen gegenüber der
Frage des Patriotismus für unsere Wehrhaftigkeit stimmen, wie das in allen
anderen Ländern, mit alleiniger Ausnahme von Deutschland, der Fall ist,
soweit parlamentarische Einrichtungen bestehen. (Ohl ohl links; Bravok rechts.)
Die Nörgelei des Parlaments gegenüber Forderungen der Regierung, die der
Sicherheit des Landes gelten, ist nur eine echt deutsche Eigenthümlichkeit; ich
weiß nicht, ob ich ihr verfallen würde, wenn ich Abgeordneter wäre; ich
glaube nicht. Sie sind damit überhaupt auf einen falschen Strang gerathen;
ich rathe Ihnen, bremsen Sie so früh wie möglich. Die politischen Wege
find nicht so, wie wenn man sich auf freiem Felde zu Fuß begegnet. Da ist
das Ausweichen unter Umständen nicht mehr möglich, und namentlich nicht
mehr möglich, wo es sich um unsere Sicherheit handelt.
Der Herr Abgeordnete hätte gewünscht, daß die deutsche Politik ganz
und voll mit Oesterreich ginge; er hat das nachher nach der Richtung noch
erläutert, daß wir uns um die orientalische Frage mehr interesffiren sollten,
als wir bisher gethan haben. Meine Herren, unsere Beziehungen zu Oester-
reich beruhen auf dem Bewußtsein eines jeden von uns, daß die volle groß-
mächtliche Existenz des anderen eine Nothwendigkeit für den einen ist, ein
Interesse des europäischen Gleichgewichts; aber sie beruhen nicht auf der
Grundlage, wie man es im europäischen Parlament unter Umständen aus-
gelegt hat, daß eine von beiden Nationen sich und ihre ganze Macht und
Politik vollständig in den Dienst der anderen stellen kann. Das ist ganz
unmöglich. Es giebt spezifisch österreichische Interessen, für die wir uns nicht
einsetzen können, es giebt spezifisch deutsche Interessen, für die Oesterreich sich
nicht einsetzen kann. Oesterreich hat das Interesse, daß Deutschland als
große, volle und starke Macht erhalten bleibt; Deutschland hat dasselbe Inter-