Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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Schwert die Türken aus Europa geschlagen hat, soll es jetzt die Russen aus 
Europa hinausschlagen. Etwas anderes bedeutet das nicht. 
Dann die „Volks-Zeitung“ vom 30. August sagt: 
Wir haben es kaum anders erwartet, glauben aber, daß die 
Gewalt der Thatsachen stärker sein wird als das Mißwollen und 
die Unentschlossenheit der Zunftdiplomaten, 
— ist das eine Annehmlichkeit, eine Schmeichelei, die uns gesagt wird? Ich 
gehöre auch dazu. — (Heiterkeit.) 
und daß die männliche Energie, die sich in dem Battenberger ver- 
körpert, und die flammende Entrüstung, welche sich angefichts eines 
unerhörten Ränkespiels des gesammten deutschen Volkes bemächtigt 
hat, den moralischen und thatsächlichen Sieg über alle „Wenns und 
Abers“ der hohen Politik davontragen werden. 
Das ist es, was mich erinnert an Hekuba, an die weinerlichen Deklamationen, 
die Jemand in einer Sache aufwenden kann, die ihm im Herzen ganz gleich- 
gültig ist. Wer soll denn glauben, daß diese Artikelschreiber irgend eine 
Begeisterung für Bulgarien hätten? Ich will gar nicht einmal behaupten, 
daß sie finanziell angeregt worden sei, diese Begeisterung. (Heiterkeit.) Das 
Ueble will ich ihnen gar nicht anthun; es wäre aber zu bedauern, wenn für 
wenige Mark auf diese Weise das deutsche Volk beeinflußt werden könnte. 
Ich meine, es ist Alles die volle Ueberzeugung der Herren, die auf diese 
Zeitungen Einfluß haben; sonst würde ich mich gar nicht damit beschäftigen, 
wenn irgend einer der, — um mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Virchow 
zu reden — bestochenen, bezahlten Schufte, die dafür thätig find, dies allein 
auf sein Konto geschrieben hätte. Dann wäre es gar nicht der Rede werth. 
Aber ich muß doch annehmen, da dies nie desavouirt ist, und da so viele 
angesehene liberale und klerikale Zeitungen alle dasselbe gesagt haben, daß 
das die volle ernste Meinung von denjenigen Leuten ist, die in der Oppo- 
fition die staatsmännische Führung haben, die augenblicklich die Majorität 
bilden und die vielleicht ja auch in drei Jahren die Majorität bilden werden, 
so daß wir uns in drei Jahren vielleicht einer Majorität gegenüber finden, 
die auf diese Melodie hin sagt: Jetzt führt Krieg gegen Rußland oder wir 
streichen euch so und so viel aus der Armee! (Widerspruch links und im 
Zentrum.) Ist das nicht sehr wahrscheinlich: Glauben Sie, daß diese 
Herren in drei Jahren ihre Ueberzeugung ändern? Die Majorität ist ver- 
treten in diesen Artikeln; es find die Blätter aller der Fraktionen, die heute 
die Majorität bilden. Und ich war darauf gefaßt, als wir im September 
den kurzen Reichstag hatten, daß diese Majorität eine lawinenartige Inter- 
pellation gegen die Regierung loslassen würde zu Gunsten des Prinzen von 
Battenberg und für Bulgarien. Ich war erstaunt, daß, als der kleine 
Ursprung der Lawine in Gestalt der sozialdemokratischen Partei bereit war, 
sich loszulösen, die übrige Masse sie nicht vervollständigen wollte. So viel 
ich mich erinnere, war damals schon der Muth so gesunken, daß man sich 
zu einer Interpellation doch nicht mehr verstehen wollte, weil man das —
	        
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