Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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ich will nicht sagen, Absurde — Unhaltbare dieser Theorie allmählich erkannt 
hatte. Nun, die Moajorität war ja aber vorhanden; eine volle Reichstags- 
majorität steht hinter dieser Presse, eine Majorität, die so schnell ihre 
Ansichten wechselt, — heute tritt kein Mensch mehr außer dem Herrn 
Abgeordneten Richter hier für Bulgarien auf, jetzt haben Sie Bulgarien 
vollständig fallen lassen. 
Ich komme noch nachher auf einige „Germania“-Artikel von derselben 
Kategorie zurück, deren ich wenigstens vierzig zu Hause habe. Also auf ein 
so schwankes Rohr, wie die Stimmung der Majorität, die doch über die 
Abstimmung jedesmal entscheidet, können wir die Existenz unserer Armee 
nicht aufbauen, wenn das nicht anerkannt ist, daß die Existenz der Armee 
nur in denjenigen Zeiträumen diskutirt werden soll, mit denen der Kaiser 
und der Bundesrath einverstanden sind. Wenn die Theorie, die Fälschung 
der Verfassung überhaupt im Volke Terrain gewinnt und Anerkennung findet, 
daß von einer Budgetmajorität in jedem Jahre der Stand der Armee 
abhängt, wie in England etwa durch die Mutiny-Bill — theeretisch; 
praktisch würde es auch dort nicht so der Fall sein —, dann, meine Herren, 
ist keine Sicherheit vorhanden, dann heißt es allein: videant Consules oder 
videat Imperator ne quid detrimenti capiat respublica; dann ist salus 
publica suprema lex. — Verzeihen Sie, daß ich in fremden Zungen mich 
bewege, es wird mir schwer genug. 
Dann hier eine „Volks-Zeitung“ vom 28. August: die brutalsten 
Rechtsbrüche des zarischen Despotismus ruhig hinnehmen, weil 
ihnen die „Gewissenlosigkeit“ fehlte, einen „Krieg mit Rußland zu 
führen", das konnten die Diplomaten des Deutschen Bundes wirk- 
lich auch; 
— Nun das konnten fsie nicht einmal, denn sie waren dem gar nicht aus- 
gesetzt, fie kamen gar nicht zur Hebung dabei. Ich bin ja selbst als Diplo- 
mat dort gewesen, wir haben mit Rußland direkte Korrespondenzen eigentlich 
nicht gehabt, aber damit hat doch der Verfasser mir das Kränkendste sagen 
wollen, was in seiner Macht lag. 
Wenn Deutschland in der Weltpolitik auf diese bescheidene Rolle 
sich beschränken wollte, dann hätte das deutsche Volk sich die Ströme 
von Blut und Schweiß sparen können, welche dazu gehörten, das 
Deutsche Reich zu gründen. 
Also wozu brauchen wir ein Deutsches Reich, wenn wir es nicht für 
Bulgarien einsetzen wollen? Nur dazu ist es geschaffen. Und solche Herren 
bilden die Majorität der Abstimmung, die dergleichen schreiben und denken! 
(Lachen links.) 
Wenn irgend ein Zusammenhang oder eine Identität zwischen diesen 
Kundgebungen und den Herren hier bestehen (Zwischenruf), 
Kann ich da mit Sicherheit annehmen, daß die „Volks-Zeitung“ ganz 
außer Zusammenhang mit irgend einem der hier Abstimmenden steht? Ich 
möchte es wünschen.
	        
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