Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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stellt fich manches in der inneren Politik doch noch anders und die Regierung 
ist ja natürlich im Ganzen schwächer. Aber das ist doch nur eine theoretische 
Berechnung, daß fie schwächer wird; ihren eigenen Landsleuten gegenüber 
ist eine Regierung sehr viel stärker. Wenn sie in einem schwierigen Kriege 
sich befindet, dann gilt Nothrecht, dann ist Vieles erlaubt, was im Frieden 
oder in einem leichteren Kriege schon nicht möglich ist. Also auch diese 
Rechnung wäre fehlerhaft Ich kann mir denken, daß Leuten, die eine Aen- 
derung der Zustände bei uns wünschen, z. B. die polnischen Bestrebungen — 
daß denen mit einem Kriege gegen Rußland gedient wäre; aber fie könnten 
doch nur dann ein günstiges Resultat davon hoffen, wenn der Gegner Ruß- 
lands stärker wäre. Wenn Rußland siegt im Kriege wegen der Schwäche 
seiner Gegner, weil diesen die Mittel fehlen, deren Bewilligung wir heute 
von Ihnen verlangen, dann, glaube ich, würde es den Polen noch viel 
schlechter gehen in den preußischen und österreichischen Provinzen, als heutzu- 
tage (Sehr richtig! rechts), wenn also Galizien oder das Großherzogthum 
Posen dem Weichselgouvernement zugeschlagen würde, — das wäre ungefähr 
der Kampfpreis, den die Polen in diesem Kriege davontragen könnten, wenn 
sie auf die Schwächung Deutschlands hinarbeiten. 
Die „Germania“ sagt ferner am 29. August: 
Und dieser Gedanke, ob die Lage Europas derartig sei, daß man 
den Frieden durch fortwährende Trinkgelder an Rußland, und zwar 
oft durch sehr beträchtliche, erkaufen müsse, — dieser Gedanke macht 
sich fort und fort immer deutlicher in der Presse geltend. So heißt 
es z. B. in dem sehr regierungsfreundlichen „Hamburger Kor- 
respondenten“. 
Nun, die Regierungsfreundlichkeit des „Hamburger Korrespondenten“ 
kennen wir. Wenn ein Blatt wie die „Germania“ so bemüht ist, den Russen 
Feinde zu schaffen und zwischen Rußland und dem deutschen jetzigen Kaiser- 
thum Feindschaft zu stiften, so drängt sich einem ganz unwillkürlich die 
Frage auf: würde die „Germania“ ebenso eifrig dahin arbeiten, wenn Ruß- 
land ein katholisches Land wäre oder ein katholisches Herrscherhaus hätte? 
Rußland ist heterodox, und da giebt es ja so manche leidenschaftliche Po- 
litiker, die, wenn Griechen und Protestanten sich etwa in die Haare geriethen, 
sagen würden: schade um jeden Schlag, der vorbei fällt. 
Die „Germania“ sagt ferner in einem Artikel vom 26. Augusti: 
„Das Alles hat sich nun mit einem Schlage vollständig ver- 
ändert; Europa hat sich vor Rußland rückwärts konzentrirt, und 
zwar auf die bloße Drohung des Losschlagens hin. 
— Dem gegenüber sollten wir uns also vorwärts konzentriren; dann 
wäre ja der Krieg da. — 
Europa verbeugt sich vor der vollendeten Thatsache, vor der Ueber- 
macht des Moskowiterthums.. Wenn die Drohung mit einer 
Kriegsthat genügt, um ganz Europa dem Willen Rußlands dienstbar 
zu machen, — wollen wir denn nicht den ganzen haltlosen Wider-
	        
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