Die Volksschule. 101
sonderer Erlaubniss, würde die Sache nicht viel anders verlaufen. Abge-
sehen davon, dass es nicht ganz mit Unrecht als eine Folgewidrigkeit
geltend gemacht werden würde, wenn zwar der Kirche das Recht einge-
räumt wäre, Schulen nach ihrem Sinne und zu ihren Zwecken zu stiften,
nicht aber auch die Befugniss, die ihr genehmen Lehrer dazu zu bilden
und zu verwenden, würde selbst ein Verbot nicht viel helfen, weil es gar
leicht umgangen werden könnte. Das Noviziat könnte im Auslande be-
standen werden; im Lande selbst aber würden die Mitglieder nicht als
solche, sondern nur als befähigte und, falls solches nöthig wäre, als
geprüfte Lehrer auftreten. Ihr Vorhandensein wäre ein wahres Comödien-
geheimniss und doch vom Gesetze nicht zu erreichen. — Es ist hier nicht
der Ort, die ganze schwierige Frage über die Gestattung oder Nicht-
gestattung religiöser Orden und der einzelnen Arten derselben zu ver-
handeln. Auch wird die Frage über die Verwendbarkeit weiblicher Orden
zur Erziehung der Mädchen besser in einer weiter unten folgenden Er-
örterung über die weibliche Bildung überhaupt besprochen werden. Aber
gar sehr am Platze ist es, unter den Zweckmässigkeitsbedenken in Betreff
der allgemeinen Berechtigung zur Gründung von Schulen diese Seite der
Sache zu betonen und dadurch die Erwägung zu veranlassen, ob und was
zur Beseitigung von Uebeln etwa zu tlıun sei.
Welches sind nun aber die aus den vorstehenden rechtlichen Grund-
sätzen und Nützlichkeitserwägungen sich ergebenden Folgerungen ?
1) Das Recht zu Gründung der Volksschulen ist grundsätzlich und als
Regel anzuerkennen, und zwar nicht bloss als dem einzelnen Bürger, son-
dern auch jeder gesetzlich bestehenden oder erlaubten Korporation, sowie
jedem zu diesem Zwecke sich bildenden Vereine zustehend. — Für dieses
Recht spricht nicht bloss die im Rechtsstaate anerkannte allgemeine Be-
fuagniss des Bürgers an sich Unschädliches zu thun, sondern auch, wie im
Vorstehenden (S. 92 fg.) ausgeführt ist, ein manchfacher Nutzen.
2) Dieses grundsätzlich zustehende Recht unterliegt aber, wie jedes
allgemeine staatsbürgerliche Recht, allen Beschränkungen, welche das all-
gemeine Wohl als unerlässlich erscheinen lässt, denn nicht bloss das Recht
einzelner Dritter oder der Gesammtheit, sondern auch die Wahrung der
durch das Leben im Staate erlangbaren Lebenszwecke zieht eine Gränze
gegenüber von der freiheitlichen Willkühr der Staatsgenossen. Unzweifel-
haft hat also der Staat das Recht (und die Pflicht), jede nothwendige Be-
stimmung zu treffen, welche Sicherheit gewährt, dass in Privatschulen nichts
von ihm nach allgemeinen Gesetzen Verbotenes vorgeht; dass durch solche
Schulen seinen allgemeinen verfassungsmässigen Zwecken und besonderen
gesetzlichen Einrichtungen weder offeu entgegen getreten noch dieselben
mittelbar untergraben und unmöglich gemacht werden; insbesondere aber