Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Volksschule. 107 
die Entscheidung dabin zu treffen zu sein, dass eine solche grössere und sy- 
stematische Thätigkeit auf dem Gebiete der Volksschule da anstandlos zuge- 
geben werden kann, wenn sie sich an ein bestimmtes im Lande bestehendes 
confessionelles Verhältniss anschliesst, also entweder bereits bestehende 
Schulen dieser Confession verbessern und dotiren, oder noch nicht vorhan- 
dene Schulen da errichten will, wo aus Mangel an örtlichen Mitteln eine 
solche trotz einer vorlıafdenen confessionellen Bevölkerung solche noch 
nicht bestehen. Hier werden zwar in dem letztern Falle anch Doppelschulen 
errichtet; allein die neu gegründeten befriedigen doch ein anzuerkennendes 
Bedürfniss, welches die für die Mehrheit errichtete Schule nicht befriedigen 
kann. Dagegen muss man sich erklären gegen eine Thätigkeit, welche ent- 
weder ganz abgesehen vom confessionellen Verhältnisse und Bedürfnisse 
Schulen zu gründen beabsichtigt, die somit bei dem für die Volksschulen 
nun einmal als nöthig erkannten System confessioneller Bildung in der Luft 
stehen und nur Verwirrung erzeugen würde; ferner gegen einen Urganis- 
mus, dessen Zweck ist, in der eigenen Confession Gegenschulen zu cr- 
richten, weil er dem Geiste der von dem Staate geleiteten Schulen ent- 
gegenzutreten wünscht '). Die hieraus nothwendig sich ergebenden Uebel 
sind oben S. 99 fg. bereits ausgeführt worden, und es wäre eine selbstmörde- 
rische Schwäche, wenn der Staat hier nachgeben und einen innern Feind 
auf dem bürgerlichen Gebiete sich nach Gutfinden einrichten lassen wollte. 
(Der Religionsunterricht bleibt ja auch in den allein bestandenen Staats- 
schulen der Kirche unbeschränkt.) 
Damit ist aber auch bereits entschieden über den dritten und 
Aussersten Fall, wenn eine Kirche selbst — hier also die katholische — 
Gegenschulen gegen die bereits bestelienden Schulen der eigenen Confession 
zu errichten beabsichtigt, — sogenannte Pfarrschulen, — und sie dazu 
durch Ermahnung der Kirchenobern an die Gläubigen und durch Befehle 
an die untergeordneten Geistlichen mit Benützung aller in ihrer Macht 
liegenden Mitteln der Einwirkung nuf die Geiäther vorgehen will. Hier 
ist einer Seits eitel Verschwendung und dadurch Verschlechterung jeder 
Art von Schulen, anderer Seits ein durch das ganze Land verbreiteter dem 
Staate feindlicher Organismus, welcher dazu bestimnit ist, demselben allmäh- 
lig die Anhänglichkeit und den (iehorsam der Bevölkerung zu entzielien und 
wieder unter die Botmässigkeit der Kirche zu bringen. Denn, wer die 
Schule hat, dem gehört die Zukunft. Solches zu dulden aus missverstan- 
1) Wie entschieden gerade dieses dio Absicht wen!gstens der Jesuiten - Partel In der 
katholischen Kirche Ist, darüber giebt Riess In seiner oben hänflg genannten Schrift den 
klarsten und unumwündensten Aufschluss. Man sehe un:nentlich die beiden letzten Abschnitte 
derselben: „Die christlicho und die liberale Schule“; und: „Trennung von der liberalen, Frei- 
beit für die christliche Schule“!
	        
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