Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Universitäten. 113 
Zweitens ist unzweifelhaft, dass ein sehr bedeutender Theil der gründlichen 
und nützlichen literatur seinen Ursprung den Universitäten verdankt. Die 
vielen Professoren sind durch manchfaches Interesse angetrieben , durch 
Kenntnisse und zur Hand liegende Hülfsmittel in den Stand gesetzt, durch 
amtliches Bedürfniss häufig genöthigt, als Schriftsteller aufzutreten. Man 
übersehe in jeder Büchersammlung die ernsteren Fächer der Literatur, ziche 
die von Professoren geschriebenen Werke ab, und zähle dann was noch 
übrig bleibt! Endlich haben wenigstens in Deutschland die Universitäten 
sehr wesentlich beigetragen zu dem nicht hoch genug anzuschlagenden 
Segen, dass bis itzt der Begriff der stumpfen, unwissenden, geistesabhän- 
gigen Provinz gar nicht vorhanden war. Diese vielen von einander un- 
abhängigen, mit einander wetteifernden, über ganz Deutschland zerstreuten 
Vereine von Kenntnissen, Geist und materiellen Bildungsmitteln machten 
es unmöglich, dass nur von Einem Punkte der beherrschende Gedanke, die 
Geistesmode ausging. Während die zahlreichen Hauptstädte keine poli- 
tische und administrative Alleinherrschaft, keine unverbrüchlichen Ukasen 
in Geschmacksachen, keine VUebereinstimmung der Familien- und Gunstver- 
bindungen, somit auch nicht die nothwendige Folge von dem Allem, todte 
Gleichförmigkeit, aufkommen liessen; verhinderten die Universitäten die in- 
tellectuelle Vernichtung der Nation durch eine das Wissen und die gei- 
stigen Laufbahnen monopolisirende Centralstadt. Und es muss hierbei als 
ein besonderer Vortheil betrachtet werden, dass mit wenigen Ausnahmen 
die Hochschulen nicht in den Landes-Itesidenzen sich befinden, weil dadurch 
die Zahl der selbstständigen Lichtpunkte verdoppelt, die vorhandene Menge 
von Intelligenz und von Einfluss noch gleichförmig vertheilt wurde. Dass 
dieser günstige Zustand durch die in der jüngsten Zeit erfolgte Beseitigung 
mehrerer Staaten und durch die Zusamimenziehung eines grossen Theiles 
des politischen Lebens aus dem grösseren Theile von Deutschland nach 
Berlin eine Veränderung erleiden wird, ist allerdings zu besorgen; auch 
wird es dabei nicht ganz gleichgültig sein, dass mehrere bisher verschie- 
denen Staaten angehörige Universitäten, welche somit nicht unter derselben 
Leitung und Beeinflussung standen und leicht unterscheidbare Abschattun- 
gen zeigten, nun preussisch geworden sind; doch kann, so lange diese An- 
stalten nur erhalten und gut gepflegt werden (was doch zu hoffen steht), 
die Wirkung derselben auch in der hier besprochenen Richtung nicht ganz 
erlöschen. 
Die Hochschulen bleiben somit immerhin eine wesentliche Seite in den 
Zuständen eines Volkes und ihr Siechthum oder ihre Gesundheit ist eine 
Frage von Wichtigkeit auch über das blosse Gebiet der Erziehung hinaus. 
Wir aber würden eine wesentliche Lücke in den hier zu besprechenden Fragen 
der Bildungspolitik lassen, wenn wir nicht auch die Frage über die gegen- 
v. Mohl, Staatsrecht. Bd. Ill.
	        
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