114 Die Universitäten.
wärtige Beschaffenheit der Universitäten und die etwaigen Heilmittel von
Schäden zu erörtern versuchen würden. Zwar ist diese Frage schon wie-
derholt der Gegenstand verschiedenartigster Verhandlungen gewesen; allein
es hätte nicht nur leidenschaftsloser und würdiger gesprochen, sondern auch
der Gesichtspunkt höher genommen werden können, als diess nicht selten
geschah, Dass im Folgenden zunächst nur die deutschen Universitäten ins
Auge gefasst werden werden, bringt die unmittelbare Bedeutung ihrer Zu-
stände mit sich, und verlangt der Zweck politischer Erörterungen, welche
mit bestimmten Factoren zu rechnen haben, die um so weniger bedeu-
tend für das Leben sind, je mehr sie sich im Allgemeinen halten. Damit
sind gelegentliche Hinblicke auf die Hochschulen anderer Lünder wohl ver-
einbar, wenn es sich von einer aufklärenden oder aufmerksam machenden
Vergleichung handelt.
Die Veranlassungen, welche seit mehreren Jahrzelinten zur widerholten
Beschäftigung mit den deutschen Universitäten trieben, waren verschieden-
artige. Allerdings hat wohl vor Allem die allgemeine unruhige Neigung zur
Kritik des Bestehenden und das Bedürfniss, für wirkliche oder vermeint-
liche Uebel Ursache und Heilmittel aufzufinden, auch auf die Hochschulen,
ihre Einrichtungen und deren Folgen Blicke werfen lassen, welche keines-
wegs immer wohlwollend waren. Dann aber zogen noch bestimmte Ereig-
nisse, neue Gestaltungen des akademischen Lebens oder irgend ein Aen-
derungsplan die allgemeine Aufinerksamkeit auf sich, und gaben Anlass
nicht nur zu einer Reihe von Schriften, sondern auch zu wichtigen Hand-
lungen. Man denke an die Wartburgfeier, die Ermordung Kotzebue’s und
die Burschenschaftsfrage; an die, zunächst in Beziehung auf Tübingen, wie-
derholt mit Heftigkeit gefüälrten Streitigkeiten über Verlegung der Univer-
sitäten in grössere Städte und über Beibchaltung althergebrachter Organi-
sationen; an den durch Diesterweg’s vorlautes Halbverständniss erregten
Kampf; an die Zusammenkunft von Abgeordneten aller Hochschulen in Jena
im Jahre 1848; an die polizeilichen Maassregeln, welche nicht nur einzelne
Regierungen, sondern selbst der gesammte Deutsche Bund zu wiederholten
Malen zu treffen sich genöthigt erachtete; an die jüngste Beseitigung der
letzten Ueberreste der akademischen Gerichtsbarkeit und bürgerlicher, sowie
strafrechtlicher Privilegien. Da aber diese Thatsachen und Meinungen von
den Einen in conservativem, von Andern in reformatorischem, von Dritten
gar in radikalem Geiste aufgefasst wurden, so ist kein Wunder, dass sowohl
der amtlichen Verhandlungen, als auch dessen, was von Privaten über das
Einzelne und in Veranlassung der besonderen Vorfälle und Versuche im
Allgemeinen gesagt und geschrieben ward, keine geringe Menge ist. Be-
rührte doch diess Alles unmittelbar eine Klasse von Personen, welche der
Sprache und Schrift in besonderem Grade mächtig und zu deren Gebrauch