Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

in seinem Verhältnisse zur Bildung. 265 
eine geeignete Prüfung erkundet und nach dem Ergebnisse das Befähigungs- 
zeugniss gegeben oder verweigert werden. Ob er nun aber auch die zu 
einer gedeihlichen praktischen Thätigkeit, abgesehen von den theoretischen 
Kenntnissen, nöthigen Eigenschaften jeder Art besitzt, wird durch sein Verhal- 
ten im Leben, nicht aber durch weitere Prüfungen erwiesen. Ein bei Weitem 
sichereres Urtheil hierüber wird durch seine thatsächlichen Leistungen, durch 
die von ihm gemachten Arbeiten, durch sein ganzes sittliches und gesell- 
schaftliches Verhalten, als durch besonders veranstaltete mündliche Fragen 
oder willkürlich ersonnene Prüfungsarbeiten gewonnen; Zeugnisse der 
Vorgesetzten geben, so weit diess nöthig ist, einen viel besseren An- 
halt, als eine nochmalige Prüfungsnote. Eine sog. praktische Prüfung ist 
ein Widerspruch in sich. Gegen ein träges Stehenbleiben auf dem Stand- 
punkte des Universitätswissens schützt das eigene Interesse des jungen 
Mannes, seine amtlichen Arbeiten in möglichster Güte zu liefern, genugsam. 
— Es genügt also an Einer Prüfung; diese muss natürlich vollständig 
zweckmässig eingerichtet sein, namentlich also über das volle Maass des 
geforderten Wissens Auskunft verschaffen '). 
Jede wirklich genügende Prüfung erfordert sowohl schriftliche Arbeiten 
als mündliche Besorgung. Jene zur Darlegung wohlüberdachten Wissens, 
formeller allgemeiner Bildung und der Befähigung zur Auseinandersetzung 
eines umfassenden oder schwierigen Gegenstandes. Diese zur Untersuchung 
der Geistesgegenwart und Kenntnissbereitschaft, sowie zum Behufe einer 
cursorischen Durchgehung der verlangten Kenntnisskreise mit gelegentlichem 
Tiefereingehen auf einzelne Punkte zur Vergewisserung über die Gründ- 
lichkeit des Wissens und der wirklichen Aneignung desselben. In Betreff 
der ersteren Gattung von Prüfungsarbeiten ist natürlich gegen Unterschie- 
bung fremder Arbeiten zu sorgen, dagegen erscheint ces verkehrt, den Ge- 
brauch von anderen Arten von Hülfsmitteln verhindern zu wollen. Im 
Gegentheile würde die Abfassung der aufgegebenen Antworten in Mitte 
1) Diese Ansicht widerspricht allerdings den meisten positiven Einrichtungen, weiche 
mindestens zwei Prüfungen vorzuschreiben pflegen, wohl gar drei, wie In Preussen, und zwar 
mit steigenden Forderungen. Alleln gerade diese preussische Einrichtung ist den entschle- 
densten Einwendungen ausgesetzt. Zunächst Ist dio erste Prüfung zu leicht, was In verderb- 
licherwoise auf den Fielss der Studirenden zurückwirkt. Bodann Ist dritte Prüfung über das 
Bedärfniss und die Billigkeit hinaus schwierig, erfordert dadurch eine lange Vorbereitung, 
so dass nur Wenige vor Ablauf von scchs Jahren von der Beendigung des Universitätsauf- 
entbaltes sie zu machen wagen. Ein bedeutender Theil der Kandidaten kommt nicht über 
die zweite Prüfung hinaus, unbefähigt zur Bekleidung höhorer Aemter, zu alt und ohne ge- 
aßgendo Mittel um noch einen andern Lebensberuf einzuschlagen. Die Tüchtigkeit der 
preassischon Beamten ist sicherlich anzuerkennen; allein sollte bei dem guten Gymnaslal- 
unterricht einer Selts, und dem strongen traditionellen Ernste der Verwaltung anderer Selts 
nicht das gleiche Ergebniss erreicht werden können mit einer eluzigen, aber die höchsten 
sulässigen Forderungen stelienden Prüfung? Ist die jahrelange Borge und Qual, das widrige 
und Jeder freien und wahren Wissenschaftlichkeit entfremdete Vorbereltungssystem noth- 
wendig?
	        
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