Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

490 Volksfeste. 
wird noch erhöht, wenn das Fest mit gntem Geschmacke angeordnet ist, 
selbst etwa absichtlich geistige Genüsse bietet, so z.B. Musik, Reden und 
dergl. Uusere Volksfeste, selbst die grössesten und glänzendsten, sind 
freilich sehr verschieden von den olympischen Spielen; allein innerbalb 
ihrer Art und Tragweite können sie doch immer auch ihren sittigenden 
Werth haben und mag eine frendige und zahlreiche Betheiligung an gut 
geordneten Festen dieser Art gerne gesehen werden. — Aber es wäre eine 
einfältige und unwürdige Schmeichelei, wenn man ihnen, wie sie nun ein- 
mal thatsächlich sind, in ihrer Mehrzahl einen solchen Charakter und solche 
Folgen beilegen wollte. Einmal ist es nur zu oft schon von vorne herein 
nur auf einen groben sinnlichen Gennss angelegt, nnd artet dann auch das 
sogenannte Fest in betäubenden Lärm und in wüstes Durcheinander aus. 
Dann aber ist Verwilderung und nicht Civilisation die Folge. Und selbst 
da, wo die Absicht und Anlage eine edlere ist, wird diese oft nur in 
geringem Maasse erreicht, indem wohl das Zusammensein auch hier bald 
in ein allgemeines Gelage ausartet, dessen unmittelbarer Genuss von allem 
Anderen abzieht und dessen Jubel jede sonstige Bemühnng übertönt. 
Es ist nnn einmal so die Art der Nordländer, dass sie sich mit dem 
Pokale in der IHland freuen; dieser ist aber ein gefährlicher Genosse. 
Zweitens ist die Art und Weise, wie es bei den grossen deutschen Volks- 
festen mit den Reden gehalten wird, eine schr verfehlte und selbst eine 
positiv schädliche. Dass Eine Festrede von einem dem schwierigen Unter- 
nehmen gewachsenen Manne gehalten, oder höchstens bei längerer Dauer 
an jedem Tage eine solche, ein geistiger Genuss und eine Belehrung in 
weitem Kreise sein, und dass selbst in Folge einer solchen Ansprache 
eine beachtenswerthe Aeusserung der Öffentlichen Meinung entstehen könnte, 
ist unzweifelhaft. Anstatt dessen aber drängt sich fort und fort ein un- 
.berufener Redner um den anderen auf die Bühne, und bei diesen steht 
denn die gedankenlose Phrasenmacherei, das falsche Zungendreschen in 
schönster Blüthe. In Ermanglung wohl vorbereiteter Zwecke und bestimmter 
Gedanken kommen planlose Deklamationen, Aufforderungen zur Zustimmung 
zu unsinnigen oder unpraktischen Beschlüssen zur Welt. Die nothwendige 
Folge ist dann aber bald eintretende Ermüdung der Zuhörer, welche sich 
durch Privatgespräche, durch Reden und Trinksprüche im engeren Kreise 
zu retten suchen, damit aber die Entstehung allgemeinen Lärmens und 
Unmöglichkeit sich verständlich zu machen. Die Erklärungen werden als 
einstimmig gefasst ausgegeben, weil Niemand widersprach, da sich Niemand 
darum bekümmerte; sie bleiben denn aber auch ohne alle Wirkung. Der 
positive Nachtheil eines solchen sinnlosen und wüsten Gebahrens aber ist, 
dass man sich bei uns an das end- und ziellose Reden gewöhnt hat, in 
welchem aller Entschinss verpufft. Der Spiessbürger geht mit der Be-
	        
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