bei nichtmilitärischen Vergehen. 718
vor dem Gesetze, welche nur in Fällen unbedingter Nothwendigkeit ge-
brochen werden darf, sondern, was noch weit höher anzuschlagen ist, die
gleiche materielle Anwendung der Gesetze. In Folge falscher Staudesvor-
urtheile, tadelnswerther und fbelangebrachter Theilnahme für einen Ge-
nossen, soldatischer Missachtung der bürgerlichen Ordnung, sind Freispre-
chungen oder Verurtheilungen zu unverhältnissmässig geringen Strafen von
Seiten eines Militärgerichtes möglich, wie sie niemals bei bürgerlichen Ge-
richten vorkommen könnten, und welche mit der regelmässigen Verwaltung
der Rechtspflege im schreiendsten Missklange stelen. Es ist gar nicht
undenkbar, und nicht ohne Beispiele, dass durch Aussicht auf Straflosigkeit
die Sicherheit der Personen und überhaupt die allgemeine Rechtsordnung
empfindlich bedroht sein kann. Ein solcher Zustand aber ist gegen die
erste Aufgabe des Staates, und eine Herbeiführung desselben durch eine
von ihm selbst ausgehende Einrichtung doppelt unerträglich und widersinnig.
Allein daran nicht genug. Nothwendig erbittert eine solche verletzende
und bedrohliche Rechtsungleichheit die allgemeine Masse der Bürger. Diese
fühlt sich gedemüthigt und misshandelt, erachtet die allgemeinen Verfas-
sungssätze als einen blosen Hohn. Nichts gibt auch so bequemen und so
geschickt zu gebrauchenden Stoff zu den bittersten und vielleicht, beabsich-
tigter Nebenzwecke wegen, bösartigsten Erörterungen in der Fresse und
in Versammlungen, als ein solches Beispiel ungerechter Freisprechung durch
ein Militärgericht; noch nach Jahrzehnten kaun dasselbe cin stehender
Vorwurf und ein bei jeder Gelegenheit bereit liegendes Mittel zur Er-
weckung von Hass und Verachtung sein. Diess aber ist zunächst ein
empfindlicher Nachtheil für das Heer selbst. Es wird gehasst wegen seiner
Bevorrechtung und seines Missbrauches derselben; diese Missstimmung aber
hat nicht nur naturgemässe widrige Folgen im täglichen leben, sondern
kann auch an sehr unerwünschter Stelle, z. B. bei Berathungen Verwilli-
gungen einer Ständeversammlung, unerwartet eine praktische Wirkung äussern.
Ausserdem aber fällt selbstredend, und nicht mit Unrecht, ein grosser
Theil des Tadels auf die Regierung unmittelbar. Ohne ihren Willen und
ihre Ablehnung einer Verbesserung bestünde ja der ganze Zustand nicht.
Diess Alles ist um so verkehrter, als weder das Heer, noch die Regierung
irgend einen begreifbaren Nutzen von der falschen Organisation und ibren
Folgen hat. Welche Ehre oder welchen Vortheil bringt es einem Officiers-
corps, wenn es in seiner Mitte Genossen behält, welche, wo nicht eines
Mordes so doch eines brutalen Todtschlages überwiesen sind? Wein ein
Missbrauch der Waffe gegen einen Wehrlusen nur mit einigen Tagen oder
Wochen Arrest gestraft wird? Wie kann hier von Beeinträchtigung des
Dienstes die Rede sein, wenn in solchen, glücklicherweise doch nur sel-
tenen, Fällen das Verfahren vor einem bürgerlichen Gerichte vor sich ge-