Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

202 Besonderer Teil. 
zwar in 881112, der das Verhältnis des Staates zur häuslichen Erziehung 
im Auge hat, von denjenigen, „welche ein Gewerbe daraus machen, daß sie 
Lehrstunden in den Häusern geben“, und das Landrecht, wenn es sich auch 
einer Bestimmung des Begriffs des Gewerbes enthält, verbindet mit diesem 
Ausdruck an zahlreichen Stellen den Sinn eines auf fortgesetzten Erwerb 
gerichteten Unternehmens (ALR. II2 88 108, 121, 212 a, 218, 224, 232, 
254, 636, 754, II 7 8§8 2, 172, II 8 8§§7, 11, 176, 404, II 9 §§ 76, 81). 
Bekannt ist aber, daß dem Landrecht eine feste Rechtssprache fehlt, und daß 
es in dem Bestreben, juristische Kunstausdrücke möglichst durch gemeinver- 
ständliche Worte zu ersetzen, eine strenge Durchführung der von ihm ge- 
wählten Begriffsbezeichnungen vermissen läßt. Mehr als andere Gesetz- 
bücher erfordert daher das Landrecht eine Gesetzesauslegung, die, ohne am 
Wortlaut der Vorschriften zu haften, auf ihren Sinn und Zusammenhang 
das Hauptgewicht legt. Der in §8 A#. II 12 ausgesprochene Rechtsgedanke 
kann nur im Vergleiche mit der vorausgehenden Vorschrift des §7 Ver- 
ständnis finden. Der in dieser Sache ergangene Beschluß der vereinigten 
Strafsenate vom 7. Dez. 1912 weist bereits daraufhin, wie das Landrecht in 
dem Bestreben, sämtliche Formen der Unterrichtserteilung der Staatsaufsicht 
zu unterwerfen, vor dem elterlichen Erziehungsrecht Halt macht, und über 
diese Grenzlinie hinaus sich jeder Einmischung enthält, zum Ausgleich dafür 
aber dem Staate über die von den Eltern angenommenen Lehrkräfte ein 
Prüfungsrecht vorbehält. Dies ist der Sinn der beiden angeführten Gesetzes- 
vorschriften. Das aus der gesetzlichen Erziehungsgewalt der Eltern fließende 
Recht zur Besorgung des häuslichen Unterrichts der Kinder soll unbeschränkt 
bleiben; aber die Lehrer, die sich in den Dienst dieser Aufgabe stellen, unter- 
stehen der Prüfung des Staates. Dieser Gegensatz, der durch die Eingangs- 
worte des § 8 angedeutet wird, würde nicht zur Geltung kommen, wollte man 
diese Vorschrift auf den gewerbsmäßig betriebenen Unterricht beschränken. 
Sie ist nicht gewerbepolizeilicher Natur und will nicht eine Einschränkung der 
Gewerbefreiheit festsetzen. Wäre dies der Fall, so müßte ihr Fortbestehen 
neben der Reichsgewerbeordnung in Zweifel gezogen werden. Sie bildet viel- 
mehr einen Teil der vom Gewerberecht scharf geschiedenen Unterrichtsgesetz- 
gebung, und innerhalb dieses Gebiets ist für eine Unterscheidung zwischen dem 
gewerbsmäßigen und nicht gewerbsmäßigen Betriebe kein Raum. 
Die Vorschrift umfaßt daher alle Privatlehrer, die sich der Aufgabe 
des häuslichen Unterrichts widmen, unter Ausschaltung derjenigen, die sich 
nur gelegentlich mit einer Unterweisung der Kinder befassen, ohne deren 
Ausbildung in einem Lehrfach zu bezwecken. Ein solcher Unterricht wird in der 
Regel als Gewerbe im Rechtssinn betrieben werden, und so erklärt es sich, daß 
das Gesetz vom 7. Sept. 1811, das nach Inhalt und UÜberschrift die polizei- 
lichen Verhältnisse der Gewerbe betrifft, die landrechtlichen Vorschriften ab- 
geändert hat. Aber die allgemeine Fassung des § 4 daselbst: „Wer Privat- 
unterricht in Wissenschaften und Künsten erteilt, bedarf dazu ebenfalls keiner 
besonderen Erlaubnis und keines besonderen Gewerbescheines“ schließt die An- 
nahme aus, daß hierdurch nur der gewerbsmäßig betriebene Unterricht frei- 
gegeben werden sollte. 
Es kann also auch aus diesem Gesetze kein Anhalt dafür entnommen 
werden, daß es von der Auffassung ausgegangen wäre, als ob das Landrecht 
den häuslichen Unterricht lediglich unter der Voraussetzung seiner Gewerbs- 
mäßigkeit einer Beschränkung unterworfen hätte. Die Kabinettsorder vom 
10. Juni 1834 stellt die landrechtlichen Vorschriften der §§ 3, 8 II 12 unter 
Wiedergabe ihres wesentlichen Inhalts wieder her. Sie will das staatliche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.