Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

8 16. Schulwesen, Schule und Polizei. 205 
selben entlassenen jungen Leute in den dort erworbenen elementaren Kennt— 
nissen in einer möglichst den Bedürfnissen des praktischen Lebens angepaßten 
Weise weiterzubilden und auf sie, die nach dem Abgange aus der Volksschule 
vielfach einer ausreichenden erzieherischen Einwirkung entbehren, auch in der 
letzerten Richtung durch Festigung des Geistes und Charakters einen günstigen 
Einfluß auszuüben, verfolgt nicht nur Unterrichts-, sondern auch Erziehungs- 
zwecke.“ (REtrafs. 35 S. 184). 
Das Züchtigungsrecht beschränkt sich bei mehrklassigen 
Schulen keineswegs auf die einzelnen Klassenlehrer den zu ihrer 
Klasse gehörigen Schülern gegenüber, steht vielmehr sämtlichen Lehrern 
einer Schule gegenüber sämtlichen Schülern der Anstalt zu (OVG. 60 
S. 483). Sind ferner in einem Schulgebäude mehrere selbständige 
Schulen untergebracht, so liegt darin — in Ermangelung ausdrücklicher 
gegenteiliger Bestimmungen — die stillschweigende Anordnung, daß 
die Lehrer der verschiedenen Schulen zur Aufrechterhaltung der Schul- 
ordnung gegenüber allen Schülern der in dem gemeinschaftlichen 
Gebäude untergebrachten Systeme berufen sein sollen (RG. in Straff. 
Bd. 42 S. 142 und O. 60 S. 483 ff.): 
„Wäre in solchen Fällen dem Lehrer die Anwendung der Schulzucht 
gegenüber den Schülern des anderen Schulsystems versagt, so würde er nicht 
nur in den Mitteln zur Abwehr der Störung sachwidrig beschränkt, sondern 
es würde auch, da derartige Verstöße gegen die Schulordnung schon aus erzieh- 
lichen Gründen regelmäßig eine Bestrafung auf der Stelle geboten erscheinen 
lassen, der erziehliche Zweck der Schulen beider Systeme beeinträchtigt werden. 
Daher ist anzunehmen, daß, wenn, wie hier, von zuständiger Stelle zwei 
Schulsysteme gemeinschaftlich untergebracht werden, darin mangels ausdrück- 
licher gegenteiliger Bestimmung zugleich stillschweigend die Anordnung liegt, 
daß die Lehrer beider Systeme zur Aufrechterhaltung der Schulordnung allen 
Schülern beider Systeme gegenüber jedenfalls insoweit berufen sein sollen, als 
.n 2 Ordnung auch nur innerhalb eines der Systeme erheischt.“ (OV. 60 
Über die Grenzen des Züchtigungsrechtes führt das R. 
beim Fehlen positiver landesrechtlicher Vorschriften aus: 
„Es muß daher je nach der konkreten Sachlage des einzelnen Falles 
unter Berücksichtigung dessen, was eine maßvolle und vernünftige Schulzucht 
erfordert, beurteilt und bestimmt werden, ob die jeweilig gewählte Art und das 
angewendete Maß der Züchtigung innerhalb der hiernach zu bestimmenden 
Grenzen sich hält.“ (RGStrafs. 35 S. 186). 
Die Schulzucht umfaßt aber nach O. 19 S. 45 ff. auch im 
Erziehungsrecht das Recht des Lehrers, über das sittliche Verhalten 
der Schüler auch außer der Unterrichtszeit und außerhalb des Schul- 
zimmers eine Aufsicht zu führen. So kann also auch gegen verbotene 
Schülerverbindungen vorgegangen werden. Zur näheren Feststellung 
des Tatbestandes kann die Schule Auskunft von allen der Schul- 
zucht unterstehenden Personen verlangen und Gegenstände, die als 
Beweis= und Uberführungsmittel dienen können und sich im 
Gewahrsam der Schüler befinden, auch gegen deren Willen
	        
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