Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

86. Polizeiverordnungen. 65 
fugten Waffentragens vom Strafgesetzbuch nicht erschöpfend geregelt 
ist. Vgl. RG. Strafs. 36 S. 248 ff. 
Unzulässig ist dagegen in Preußen ein generelles polizeiliches Ver- 
bot des Konkubinats, weil § 10 II 17 ALR. nur bei Gefährdung der 
öffentlichen Sittlichkeit (als Teil der öffentlichen Ordnung) Platz 
greift. Wohl aber kann die Polizei im konkreten Falle durch Polizei- 
verfügungen gegen ein Konkubinat einschreiten, wenn durch das- 
selbe öffentliches Argernis entsteht (bgl. OG. 46 S. 408). 
Unzulässig ist auch ein Verbot des Streikpostenstehens, weil die 
Materie des Streiks in der Gewerbeordnung (88 153/4) erschöpfend 
geregelt ist (RG. Strafs. 34 S. 121). 
Auch der „ruhestörende Lärm“ ist durch 8 360 Ziff. 11 St G. 
erschöpfend geregelt (KG. in DJZZ. 1913 S. 103). Jedoch ist bei 
Polizeiverordnungen, die z. B. den Schluß theatralischer Vorstel- 
lungen auf eine bestimmte Zeit festsetzen, stets zu prüfen, ob sie sich 
lediglich gegen nächtliche Ruhestörung wenden oder ob sie andere 
Zwecke verfolgen. Wenden sie sich nur an solche Vorstellungen, die 
in Schank-, Bier= oder Kaffeewirtschaften stattfinden, so sind sie nach 
864 des PVG. von 1850 gültig, weil sie einem gesteigerten Alkohol- 
genuß und damit der Völlerei entgegentreten wollen. 
Eine Polizeiverordnung muß einen bestimmten, klaren 
Wortlaut haben, sonst verstößt sie gegen das Gesetz. Be- 
stimmt ist der Wortlaut auch dann, wenn z. B. eine P.-V. auf Grund 
des Gesetzes gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender 
Gegenden von 1902 solche Reklameschilder und sonstige Aufschriften 
und Abbildungen verbietet, welche das Landschaftsbild „verunzieren“: 
„Das Gesetz (von 1902) spricht selbst von solchen Reklameschildern, 
welche das Landschaftsbild „verunzieren“. Die „Verunzierung“ stellt also 
einen Gesetzesbegriff dar, welcher der Auslegung des Richters unterliegt. 
Das Gesetz umschreibt den Tatbestand so bestimmt, daß weder der Wortsinn 
der Vorschrift noch der Inbegriff der in Betracht kommenden sachlichen 
Erwägungen Anlaß zu begründeten Zweifeln gibt. Wenn die P.-Verordnung 
sich diesem Wortlaute des Gesetzes anschließt, so kann sie nicht wegen Un- 
bestimmtheit als ungültig angesehen werden.“ (O. 64 S. 468). 
Ungültig ist nach OV G. 64 S. 450 ff. eine Polizeiverordnung 
dann, wenn sie die Straßenanlieger zum Wegräumen von Eis 
und Schnee und zum Bestreuen der Bürgersteige verpflichtet, da 
Polizeiverordnungen nicht neues Recht schaffen können: 
„Die Streupflicht ist ein Teil der Reinigungspflicht; dies gilt auch 
nach dem Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912, 
in welchem § 1 ausdrücklich zum Ausdruck bringt, daß die polizeimäßige 
Reinigung auch die Schneeberäumung und das Bestreuen mit abstumpfenden 
Stoffen zur Beseitigung der Eis= und Schneeglätte in sich schließe. Nach 
dem gen. Gesetz liegt die Reinigungspflicht auch der Bürgersteige grundsätzlich 
Mohn, Verwaltungsrecht. (Praktischer Teil.)
	        
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