Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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ker Goͤrge und hatte, so oft er ausging, einen treuen Knappen zur 
Seite. — So ging an dem ehrwuͤrdigen Glaubenshelden die ge— 
fuͤrchtete Zeit der Achtserklaͤrung gluͤcklich voruͤber, und er brachte zehn 
Monate auf diesem Versteck in Sicherheir hin. Als im folgenden 
Jahre aber die Unruhen des Karlstadt in Wittenberg ausbrachen, da 
hielt er sich nicht länger; da trieb es ihn — den 6. März 1522 — 
zurück nach Wittenberg. — Noch jeßt zeigt man auf der uralten 
Wartburg das Zimmer, wo Luther damals wohnte, wo er in heili- 
gem Glaubenseifer die Anfechtungen des Teufels zu bestehen meinte, 
aber auch seinen treuen Anhängern ein bleibendes Vermächtniß zu 
Stande brachte. 
5. Mai. · 
Kurfürst Friedrich der Weile stirbt. 
Welch' ein dreifach merkwuͤrdiger Todestag ist der heutige! An 
ihm starb Friedrich der Weise — Friedrich August der Ge- 
rechte — und der Mann, der auf Sachsens Schicksal einen so großen 
Einfluß geaͤußert hat, Napoleon. Von dem Erstern laßt uns 
heute Einiges hören, da Friedrich August's Lebensgeschichte bei ande- 
rer Gelegenheit noch öfter Gegenstand unseres Nachdenkens sein 
wird. — Friedrich der Weise war an Herzensgüte, wie an weiser 
und folgenreicher Wirksamkeit leicht der größte Regent Sachsens, der 
nicht durch List und Kriegsthaten, sondern durch Weisheit und Ge- 
rechtigkeit groß ward; der nicht bloß seinem Lande und Volke, nicht 
bloß Deutschland, sondern dem gesammten Erdkreise nie genug zu 
preisende Wohlthaten brachte. — Nachdem er sich aus Liebe zu sei- 
nem Bruder nicht vermählt und später mit mehren Gelehrten eine 
Reise nach Palästina gemacht hatte, wurde er, da Kaiser Maximi— 
lian nach Italien ging, eine Zeit lang Reichsvicar (1490). Sodann 
stiftete er, der eifrige Freund der Wissenschaften, auch im Ernesti- 
nischen Sachsen — in Wittenberg — eine Universität (1502). 
Als er ein und dreißig Jahre regiert hatte und vier und funfzig 
Jahre alt war, schlug Luther seine Säße in Wittenberg an. Des 
kühnen Mannes Beginnen duldete er mit Ruhe und Weisheit, und 
als Luther nach Rom zur Vertheidigung gefordert ward, gab er es 
nicht zu, sondern wollte ihn in Deutschland verhört wissen. Zum 
Glücke wurde er übrigens damals, nach des Kaisers Tode, abermals 
Reichsvicar. Nun fing er an, Luthern, der schon nach Paris aus- 
wandern wollte, zu schußen. In so hohem Ansehen stand er, daß 
die Fursten ihm einmüthig die Kaiserkrone antrugen; doch diese
	        
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