Full text: Handbuch des Königlich Sächsischen Verwaltungsrechts.

238 Gemeindemitglieder — Gemeinderath. 
regulative (s. d.) zu behandeln (MBeschl. vom 14. April 1886 Nr. 226 
IILG 
Gemeindemitglieder sind alle selbstständigen Personen, die im Gemeinde- 
bezirke entweder wesentlich wohnhaft oder mit Grundstücken angesessen 
sind, oder daselbst ein selbstständiges (nicht blos „ständiges“, s. MVO. 
vom 13. December 1886 in der Zeitschr. f. V. VIII S. 270) Gewerbe 
betreiben. Auch juristische Personen und Actiengesellschaften (MVO. vom 
1. October 1880 in der Zeitschr. f. V. III S. 85) sind G., der Staats- 
fiscus, sowie gemeinnützige Stiftungen und Vereine jedoch nur insoweit, 
als sie Gewerbe betreiben oder ansässig sind RStO. § 14, RLG. 
§ 14). Die Gemeindemitgliedschaft ist Voraussetzung für Stimmrecht 
und Wählbarkeit bei den Gemeindewahlen (RStO. 88 15, 44, 46, 84, 
RLG. 8§ 33, 37, 57), dagegen nicht unbedingte Voraussetzung der Ver- 
pflichtung, zu den Gemeindeleistungen (s. d. I und II) beizutragen. Nicht 
als G. zu betrachten sind nach obiger Begriffsbestimmung Personen, die 
im Gesindedienst oder sonst in Andrer Lohn und Kost stehen (MVO. vom 
7. April 1880 im SW. S. 151 und in der Zeitschr. f. V. I S. 184), 
ingleichen die Bezirksverbände (SWB. von 1879 S. 222). Für die 
Stimmberechtigung und Wählbarkeit bei Gemeindewahlen (s. d.) kommen 
zur Gemeindemitgliedschaft noch weitere Erfordernisse, in den Städten 
namentlich das Bürgerrecht (s. d.). In den Landgemeinden besteht für 
Jeden, der in ein die Gemeindemitgliedschaft bedingendes Verhältniß tritt, 
die Verpflichtung, sich beim Gemeindevorstande zu melden und vom ihm 
mittelst Handschlags verpflichten zu lassen, unbeschadet der allgemeinen 
Verpflichtung zu polizeilicher Anmeldung (s. d.) des Zuzugs. In den 
Städten dagegen tritt die Verpflichtung zu Abgabe des Handgelöbnisses 
erst mit Erwerbung des Bürgerrechts (s. d.) ein (RLGO. § 15, RSt. 
§ 16). Einzugsgeld darf von Neuanziehenden zur Gemeindecasse keines- 
falls, zur Armencasse nur von Reichsausländern gefordert werden (Res. 
vom 1. November 1867 S. 55 § 8 und 8##.#t Jahrg. 1868 S. 42, 
Jahrg. 1869 S. 77). Die Erhebung von Bürgerrechtsgeld (s. d.) mit 
Ausnahme von Sporteln und Verlägen ist unzulässig. In den Land- 
gemeinden müssen behufs Wahl des Gemeinderaths (s. d. II) mindestens 
drei Gemeindegliederclassen bestehen. 
Gemeinderath. I. Ueber Zuständigkeit und Geschäftsführung des 
G. handelt RLGO. vom 24. April 1873 S. 328 §§8 64—80. Dar- 
nach ist der G. in Landgemeinden das berathende und beschlußfassende 
Organ in allen Gemeindeangelegenheiten, die nicht ausdrücklich dem Ge- 
meindevorstande oder andern Gemeindemitgliedern überwiesen sind (s. Ge- 
meindeverwaltung 3). Die Vertretung der Landgemeinden nach Außen 
gebührt ihm nicht (s. Gemeindevertretung 3). Ebensowenig steht ihm 
die Mitwirkung bei Ausübung der Polizei und der verwaltungs obrig= 
keitlichen Befugnisse zu (s. Ortsobrigkeit II); doch kann ausnahmsweise 
auch einzelnen Gemeinderathsmitgliedern die Ausübung gewisser obrigkeit- 
licher Verrichtungen übertragen werden (s. Gemeindevorstand I). Der G. 
ist beschlußfähig bei Anwesenheit von / und beschließt nach einfacher 
Stimmenmehrheit (RoGO. § 65). Gezählt werden dabei die wirklich
	        
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