Full text: Handbuch des Königlich Sächsischen Verwaltungsrechts.

350 Kirchenvorstand. 
S. 150 vorbehaltenen Rechte (KVO. 8 5), soweit diese nach den neueren 
Bestimmungen über das Patronat (s. d. A) und die Verwaltung des 
Kirchenvermögens (s. d. B 2) noch bestehen. Der Pfarrer ist Vor- 
sitzender des K. Ueber das beiderseitige Verhältniß s. Geistliche IV. 
Die Kircheninspection (s. d.) ist die nächst vorgesetzte Behörde. Die 
Oberaufsicht über die K. übt das ev. -luth. Landesconsistorium (s. d.) 
nach Maaßgabe von § 5 des Kirch.-Ges. vom 15. April 1873 S. 376. 
C. Ueber Wahl, Zusammensetzung, Geschäftsführung, Legitimation und 
Auflösung des K. ist Folgendes ergangen: 
I. Der K. besteht aus den confirmirten Geistlichen der Pfarrkirche 
und einer statutarisch zu bestimmenden Anzahl weltlicher, von der Kir- 
chengemeinde zu wählender Vertreter. Die Besitzer der mit Wohnge- 
bäuden versehenen selbstständigen Gutsbezirke (s. d. B) ohne Patronatrecht 
sind ebenfalls Mitglieder des K., während der Patron (s. d.) in dem- 
selben nur Sitz, nicht Stimme hat. In gemischten Kirchspielen (s. d.) und 
Filialgemeinden (s. d.) gelten besondere Bestimmungen. Den Vorsitz führt 
der Geistliche (s. d. IV) oder der vom K. frei gewählte Stellvertreter 
desselben (KVO. 8§§ 2—7, 9, VO. vom 30. März 1868 S. 220 Pct. 1, 
Kirchenges. vom 30. October 1896 S. 219 Art. 1). 
II. Stimmberechtigt bei der Wahl sind alle selbstständigen, in der 
Parochie wesentlich wohnhaften Hausväter, die das 25. Lebensjahr er- 
füllt haben, wählbar nur stimmberechtigte Gemeindemitglieder von gutem 
Ruf, bewährtem christlichen Sinn, kirchlicher Einsicht und Erfahrung, die 
das 30. Lebensjahr vollendet haben (KVO. 8 8, Kirchenges. vom 30. Oc- 
tober 1896 S. 219 Art. II, Cod. S. 366 flg.). 
1) Ausgeschlossen vom Stimmrechte sind nach den Bestimmungen 
über Kirchenzucht (s. d.) alle Diejenigen, die durch Verachtung des 
Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, durch nach- 
haltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß geben, insbesondere 
auch Diejenigen, welche die Trauung unterlassen oder die Taufe oder 
Confirmation ihrer Kinder verweigern oder gegen die kirchlichen Ehe- 
verbote zu einer Eheschließung verschreiten. Der Verlust der Stimm- 
berechtigung tritt solchenfalls jedoch erst dann ein, wenn Taufe und 
Trauung trotz erfolgter Ermahnung durch den K. auch nach sechs Mo- 
naten noch nicht erfolgt oder die Confirmation ausdrücklich verweigert 
oder das Kind nach Entlassung aus der Volksschule ohne Religions= 
unterricht belassen und die Confirmation gleichwohl ohne genügenden 
Grund verzögert wird. Ueber den Ausschluß von der Stimmberechtigung 
und Wählbarkeit entscheidet erstinstanzlich der K., über Einsprüche hier- 
gegen die Kircheninspection (KVO. vom 30. März 1868 S. 204 § 88, 
V. vom 30. März 1868 S. 220 § II 5, AVO. vom 12. December 
1876 S. 713 § 2). Gegen die Entschließung der Kircheninspection ist 
Recurs zulässig, wenn der Ausgeschlossene eine Entscheidung darüber 
herbeigeführt zu sehen wünscht, ob ihm die Wählbarkeit und das Stimm- 
recht auch für die Zukunft abgesprochen werden soll (M0. vom 23. Fe- 
bruar 1869). Die Wiederertheilung der kirchlichen Vollberechtigung kann 
vom K. auch aus eigner Bewegung eingeleiiet werden (AVO. vom
	        
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