Kirchenzucht. 353
Kirchenzucht. Das RGes. vom 6. Februar 1875 S. 23, wonach Ehen
rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden können und
die bürgerliche Beurkundung der Geburten und Eheschließungen nur durch
den Standesbeamten zu bewirken ist, hat zwar die bürgerliche Bestrafung
wegen Unterlassung kirchlicher Handlungen gegenstandslos gemacht, die
kirchliche Verpflichtung in Bezug auf Taufe und Trauung aber nicht
berühren wollen (obiges Ges. 8 82). Wie daher die Standesbeamten
ohne Rücksicht auf die Confessionsangehörigkeit bereits durch AVO. vom
6. November 1875 S. 351 8 I05,, angewiesen worden sind, die Bethei-
ligten auf das Fortbestehen der kirchlichen Verpflichtung aufmerksam zu
machen, so ist
I. insbesondere für die ev.-luth. Kirche das Fortbestehen dieser kirch-
lichen Verpflichtungen noch ausdrücklich ausgesprochen durch § 5;, der
VO. vom 13. December 1876 S. 722 und § 1 der Trauordnung vom
23. Juni 1881 S. 130 und die bisherige Bestrafung mit Geld oder
Haft für kirchliche Vergehungen und Unterlassungen in Wegfall gestellt
durch § 22 derselben VO. Die Bestimmungen über Aufrechterhaltung
der kirchlichen Ordnung sind nunmehr zusammengestellt in dem Kirch.=
Ges. vom 1. December 1876 S. 712 und in der AVO. vom 12. De-
cember 1876 S. 713. Die kirchlichen Strafen für Unterlassung von
Taufe (s. d.), Trauung (s. d.) und Confirmation (s. d.) sowie für
Schließung einer gegen die kirchlichen Ehehindernisse (s. d.) verstoßenden
Ehe sind demnach a) Verlust der Stimmberechtigung und Wählbarkeit
bei Kirchenvorstandswahlen, b) Unfähigkeit zur Uebernahme sowie Ver-
lust kirchlicher Ehrenämter und c) Ausschließung von dem Rechte, Tauf-
zeuge (s. d.) zu sein (obiges Ges. § 2, Confirmat.-Ordg. vom 12. Mai
1877 S. 218 § 54, Trauordnung vom 23. Juni 1881 S. 130 § 22).
Auch soweit diese Bestimmungen nicht einschlagen, sind Diejenigen, die
durch Verachtung des Wortes Gottes und unehrbaren Lebenswandel öffent-
liches, durch nachhaltige Besserung nicht gehobenes Aergerniß geben, von
der Stimmberechtigung und Wählbarkeit bei Kirchenvorstandswahlen aus-
geschlossen und ihres Amtes als Kirchenvorsteher zu entheben (KV.
vom 30. März 1868 S. 204 § 8 Abs. 1 und 4, 8 29, Cod. S. 381).
Bei Vollziehung dieser Vorschriften ist
1) die Thätigkeit des Kirchen vorstands zunächst nur eine vermit-
telnde (Ges. vom 1. December 1876 S. 712 88§ 1, 2). Wie er im
Allgemeinen für Erhaltung von Zucht und Sitte sowie für Belebung
des christlichen Sinnes in der Gemeinde zu sorgen hat, den einzelnen
Kirchenvorstehern aber ein amtliches Urtheil über das Privatleben An-
derer nicht zusteht, so haben auch durch obiges Kirch-Ges. für die ver-
mittelnde Einwirkung des Kirchenvorstands eingehendere Vorschriften
nicht getroffen werden sollen (KVO. vom 30. März 1868 S. 204
§ 181, 19, A#VO. vom 12. December 1876 S. 713 § 1). Bleibt
diese ohne Erfolg, so entscheidet
a) über den Ausschluß von der Stimmberechtigung und
Wählbarkeit in erster Instanz der Kirchenvorstand, auf Einspruch
die Kircheninspection, und dafern es sich um den Ausschluß nicht blos
von der Mosel, Verwaltungsrecht. 8. Aufl. 23