Landarme, Landarmenverband. 383
Straßenpolizeibehörden (s. d.) sind befugt, diese Bestimmungen auch auf
nicht fiscalische öffentliche Wege auszudehnen (Ges. vom 16 April 1840
S. 57, AVO. vom 12. Mai 1841 S. 40, VO. vom 9. Juli 1872
S. 347 § 2).
Landarme, Landarmenverband. A. Landarm ist derjenige hülfsbe-
dürftige Deutsche, dessen Unterstützungswohnsitz nicht zu ermitteln ist.
Sovweit einzelne Zweige der öffentlichen Armenpflege nach den Landes-
gesetzen den L. übertragen sind, gehen auf sie die Rechte und Pflichten
des Ortsarmenverbands über (RGes. vom 6. Juni 1870 in der Fassung
der RBek. vom 12. März 1894 S. 262 8§§ 5, 29, 30, 32a).
B. Die öffentliche Unterstützung liegt
I. dem Landarmenverbande ob, in dessen Bezirke der L. sich beim
Eintritte der Hülfsbedürftigkeit befand, bei den aus Straf-, Kranken-,
Bewahr= und Heilanstalten Entlassenen dem L., aus dem die Einliefe-
rung erfolgte (Ges. § 30b), bei Uebernahme Deutscher aus dem Aus-
lande dem L. des letzten Unterstützungswohnsitzes (Ges. § 33), bei Aus-
ländern dem L. des Orts der vorläufigen Unterstützung (Ges. 8 60).
Befinden sich Mitglieder landarmer Familien in verschiedenen Bundes-
staaten, so ist der L., der die erste Unterstützung gewährt hat, auch be-
züglich der übrigen zuständig (MVO. vom 26. Juni 1884 im SWB.
S. 129 und Zeitschr. f. V. VI S. 167, SW B. von 1883 S. 90). Liegt
der Ort der Einlieferung in einem andern sächsischen Regierungsbezirke,
als der Ort der Anstalt, so ist der zu Entlassende trotzdem dem Orte
der Anstalt zuzuweisen (MVO. vom 19. November 1881 im SW B.
S. 243 und in der Zeitschr. f. V. III S. 69). Mangels fürsorgepflich-
tiger Angehöriger wird von der Kreishauptmannschaft mit der Ueber-
nahme entlassener L. ein Ortsarmenverband beauftragt (M0O. vom
26. September 1885 in der Zeitschr. f. V. VI S. 340..
II. In Sachsen hat der Staat die Verpflichtungen des L. übernom-
men. Er bedient sich hierbei der Ortsarmenverbände als seiner Organe,
denen er den hierdurch erwachsenden Aufwand abzüglich des (s. Unter-
stützungswohnsitz VI) allgemeinen Verwaltungsaufwandes vergütet (VO.
vom 6. Juni 1871 S. 82 §8 2, 6, 10, VO. vom 14. Juni 1876
S. 268 8§ 22). Bedient sich der L. eines Ortsarmenverbandes, der nicht
schon an sich (s. Unterstützungswohnsitz IV) zur vorläufigen Unterstützung
verpflichtet ist, so ist ihm der volle Verpflegungsaufwand (einschließlich
der allgemeinen Verwaltungskosten) zu erstatten (S#WB. Jahrg. 1879
S. 162, Jahrg. 1878 S. 194). Es erscheint daher nicht wünschens-
werth, daß die Kreishauptmannschaft bei Ausübung dieser Berechtigung
sich der Bezirksarmenhäuser (s. d.) bedient (MV. vom 4. Januar 18798).
Den Aufwand für Erörterungen, die ein Ortsarmenverband im Auftrage
des L. darüber veranstaltet, ob sich für den Staatsfiscus Ersatz seiner
Verläge beschaffen läßt, erstattet der L. nicht zurück (MEntsch, vom
1. November 1881 im SM. S. 234 und in der Zeitschr. f. V. III
S. 67). Die Untersuchung L. auf ihre Arbeits= und Zurechnungsfähig-
keit hat der Bezirksarzt gegen Erstattung des Reiseaufwands, im Uebri-