74 D. Verordnungsrecht der komm. Generale auf Grund des § 0b.
handelnden Entscheidungen des Reichsgerichts ist nirgends davon
die Rede, daß der Militärbefehlshaber auf Grund des 8 9b Ver—
fassungsgarantien aufzuheben berechtigt sei; das zitierte Urteil
spricht lediglich von Aufhebung gesetzlich gewährleisteter Be—
fugnisse. Das Reichsgericht hat teilweise sogar die Gebundenheit
der Militärbefehlshaber an die Derfassung ohne weiteres voraus-
gesetzt. Dies läßt sich daraus schließen, daß es in einem Erkenntnis
vom 11. Januar 1016 eine Beschlagnahme seitens der Militär-
befehlshaber als gültig betrachtet, weil sie lediglich in das Der-
bot aller rechtsgeschäftlichen Derfügungen über den Gegenstand
gekleidet sei, die mit der Entäußerung oder dem Erwerb des
Eegenstandes verbunden sind; denn darin würde, so sagt es,
eine Enteignung, also eine Derletzung des Eigentumsrechtes
nicht liegen 160). Wenn man die Beschlagnahme in diesem Sinne
rechtlich definiert, erklärt es sich auch, daß die gemäß dem Er-
mächtigungsgesetz vom 4. Kugust 1914 ergangene Bundesrats-
verordnung vom 24. Juni 1015 (RBl. S. 357) die Juständigkeit
der Militärbefehlshaber zum Erlasse von Beschlagnahmever-
fügungen ohne weiteres voraussetzt 1)). Die Annahme dieser
Zuständigkeit durch obige Derordnung spricht nicht gegen die hier
vertretene Ansicht. Strupp, der im allgemeinen den oben ein-
genommenen Standpunkt teilt, hält den Militärbefehlshaber
zur Übertretung der Derfassungsbestimmungen für den Jall
befugt, daß ein „echter staatlicher Motstand“ vorliegt. Es ist
aber nicht einleuchtend, aus welchen Gründen der Militärbefehls-
haber dies Notstandsrecht besitzen soll. Strupp denkt dabei an-
scheinend an das sogenannte Staatsnotrecht oder Notstandsrecht
der Derwaltung, das einige Staatsrechtslehrer annehmen, und
nach welchem die Derwaltungen sich in Fragen der Erhaltung
16) Siehe Recht 1915 S. 156.
17) Dgl. § 8 der Derordnung v. 24. 6. 1915.