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Offiziers- und Beamtengehältern, Materialverbrauch usw. nicht aus
bayerischem Etat bestritten worden sind, sondern, mit den allge-
meinen Dienstausgaben des bayerischen Heeres im Kriege, auf den
Reichsetat verrechnet wurden; folglich wären keinesfalls die baye-
rischen gesetzgebenden Körperschaften für den Vollzug der dies-
bezüglichen Anordnungen zuständig, sondern höchstens die gesetz-
gebenden Faktoren des Reiches, Bundesrat und Reichstag. Hier-
aus würde sich der staatsrechtliche Nonsens ergeben, daß eine von
König Ludwig von Bayern ausgefertigte Verordnung unter Gegen-
zeichnung des Reichskanzlers „nach erfolgter Zustimmung des Bun-
desrats und des Reichstages“ ergangen sein müßte. Diese Kon-
struktion wäre, wie gesagt, unsinnig?); es muß vielmehr ange-
nommen werden, daß Ziff. III 85 des Versailler Bundesvertrages
vom 23. 11.1870 (siehe auch später S. 12) dem Könige von Bayern
das Recht einräumen wollte und eingeräumt hat, das Reich zur
Durchführung eines die Landesverteidigung sicherstellenden Kriegs-
zustandsrechtes mindestens in dem Umfange finanziell zu bean-
spruchen und zu verpflichten, als dies für die übrigen Bundes-
staaten des Reiches durch Artikel 68 der Reichsverfassung bezw.
das dort bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes übernommene preußi-
sche Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. 6. 1851 ge-
schehen ist.
Es ergibt sich sonach, daß die fragliche Verordnung in keiner
Hinsicht von Titel VII $2 der Verfassungsurkunde berührt wird,
so daß es der Heranziehung der praesumtio pro rege (Strupp
S. 154) wohl gar nicht bedarf, um ihre Wirksamkeit außer Zweifel
zu stellen?). Daß entgegen der Staatsrats-Instruktion vom 18. 11.
1825 der Staatsrat trotz der großen Tragweite dieser Verordnung
nicht gehört worden ist (oder doch dieser Anhörung nicht IEirwäh-
2) Daß es immerhin nicht ganz unnötig erscheint, auf diese Frage einzu-
ehen, dürfte Strupp 8. 149 beweisen, wo eingehend untersucht wird, ob das
bayr. Kriegszustandsgesetz Reichsrecht oder Landesrecht darstelle.
®) An dieser Stelle muß der Verfasser feststellen, daß sein verehrter Lehrer,
Prof. Dr. Rieker, einen anderen Standpunkt einnimmt: Er ist der Ansicht, daß
die Zuständigkeit des Königs nicht so zweifelsfrei gegeben ist, wie der Verfasser
dies annimmt, und begründet diese seine Ansicht hauptsächlich mit dem Hin-
weis auf den Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltung
der unmittelbaren Städte (Art. 92ff. Gemeinde-O.). Demgegenüber darf der
Verfasser seine Meinung auf Art. 98 a. a. O. stützen, wonach es der Staats-
regierung freisteht, die sicherheitspolizeilichen Befugnisse der Magistrate als
Distriktspolizeibehörden unter gewissen Voraussetzungen an sich zu ziehen. Da
der Verfasser auch seinerseits annimmt, daß die Selbstverwaltung der Gemeinden
im engeren Sinne (Art. 112 a. a. O.) durch die Verordnung nicht berührt werden
kann (8. 8. 22 oben), dürfte Art. 98 ausreichen, um die Gesetzmäßigkeit der
Verordnung in dieser Beziehung zu begründen. — Daß die Offiziere im Gegen-
gatze zu den Zivilbeamten den Verfassungseid nicht geleistet haben, ist dem
Verfasser nicht entgangen (s. 8. 13), doch glaubte er, aus diesem rein forma-
listischen Gesichtspunkte die Rechtmäßigkeit dieser aus der Kriegsnot geborenen
Verordnung nicht anzweifeln zu können.