Geschichtliches.
Die Notwendigkeit, Bestimmungen über den Übergang der
Befugnisse bürgerlicher Behörden auf militärische Behörden zu
treffen, ist so alt, wie die Trennung zwischen bürgerlichen und mili-
tärischen Behörden überhaupt.
Wo, wie im Athen der Archonten oder bei der Signoria der
Republik Venedig, auch der militärische Oberbefehl unter allen Um-
ständen der obersten bürgerlichen Behörde oblag, — oder umgekehrt
wo, wie bei den Heerkönigen der Völkerwanderung oder unter der
F'eudalverfassung des Mittelalters, der militärische Oberbefehlshaber
stets auch alle bürgerliche Gewalt in sich vereinigte, waren solche
Bestimmungen freilich nicht vonnöten. Auch im Staatsrechte eines
Ludwig XIV., das jede Einzelheit der Verwaltung der Entschei-
dung des Königs von Fall zu Fall vorbehielt, war für eine derartige
Bestimmung kein Raum. Dagegen sehen wir einen deutlichen An-
satz zu der Regelung, wie sie jetzt wohl in allen Kulturstaaten
besteht, bereits in der Einrichtung der Diktatur im repuklikanischen
Rom. Es erscheint daher nicht verwunderlich, daß derjenige Staat
ler als erster zu den Staatsidealen des Altertums, „wie er sie auf.
faßte‘“‘!, zurückkehrte, nämlich das Frankreich der ersten Repu-
blik, auch als erster eine gesetzliche Regelung über die Befugnisse
der militärischen Befehlshaber im Kriege auf dem Gebiete der
bürgerlichen Verwaltung getroffen hat!). Es ist dies das Gesetz
vom 10. Juli 1791 (französischer Textauszug bei Sutner, bayr.
Kriegszustandsgesetz, S. 74, — deutsch bei Möller, Samml. d.
in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze, Bd. II, S. 53).
ı) Daß auch die in ihren Anfängen noch weiter zurückgehende Verfassung
der nordamerikanischen Union dem Präsidenten für den Kriegsfall diktatorische
Befugnisse überträgt, dürfte bekannt sein; hierüber Näheres auszuführen, würde
iiber den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen.